Zeitenwende – Wege aus der Depression

Politiker, Journalisten und andere berufsmäßige Populisten lieben ja Superlative, bauschen Geschichten auf, überdramatisierten sie gerne. Aber seit Corona ist wohl so langsam auch dem/der Letzten klargeworden, dass wir gerade Zeitzeugen eines fundamentalen globalen Wandels sind. Der vom Virus ausgelöste, koordinierte weltweite wochenlange Wirtschaftsstillstand (lockdown) hat soziale und ökonomische Verwerfungen hervorgerufen, die in geradezu disputiver Weise das komplette weltweite Wirtschaftssystem ins Wanken gebracht haben: vom Kleinunternehmer und Freischaffenden bis hin zu gewaltigen Weltkonzernen. Man kann wohl ohne jede Übertreibung konstatieren, dass es ein solch disruptives Ereignis in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht gegeben hat! Der Zweite Weltkrieg war ein Pfurz dagegen, weil heute ganz andere Summen im Spiel und Technologien zur Verfügung stehen!! Dieser Wandel wird alles vom Kopf auf die Füße stellen (bzw. umgekehrt, je nach Perspektive). Nichts wird mehr so sein, wie es war. Die Welt wird sich komplett neu sortieren und arrangieren müssen, und damit jeder Einzelne von uns.

Das klingt auf den ersten Blick sehr furchterregend und beängstigend. Das ist es auch, zumal, wenn man auf dem falschen Fuß erwischt wird und darauf gar nicht vorbereitet ist.

Ich bin es, soweit es in meiner Macht steht. Denn ich habe genau so einen Prozess persönlich bereits hinter mir.

Das vergangene Jahrzehnt begann für mich mit der Einfahrt in einen langen dunklen Tunnel, an dessen Ende ich für mehrere Jahre kein Licht erkennen konnte. Es war eine emotionale wie materielle Achterbahnfahrt auf Sicht, immer einer weiteren Verschlimmerung gegenwärtig und nach jedem sich bietenden Strohhalm greifend, mit schier endlosen schlaflosen Nächten und Sorgen um die Gegenwart wie die Zukunft.

Wäre ich in dieser Krisenzeit Single gewesen, hätte ich die Kurve schnell gekriegt, aber ich hatte Frau und Kinder, und meine (inzwischen Ex-Frau) andere Lebenspläne.

Es kam also alles zusammen, was man sich an Schicksalsschlägen und Traumata vorstellen kann. Immerhin blieb ich gesundheitlich stabil und mein Körper ließ mich nicht im Stich. Der Verstand dagegen des Öfteren.

Es war die Hölle auf Erden.

Aber gleichzeitig auch ein reinigendes Fegefeuer!

Denn meine Lebens- wie Berufserfahrung lehrten mich, die Umstände und Verhältnisse realistisch einzuschätzen und von vornherein nur in die Dinge Zeit und Kraft zu investieren, die aktuell Priorität hatten und Kernbestandteil meines Wesens sind, somit das Fundament meines Daseins.

Um sein Leben bestmöglich im Griff zu haben, ist es unabdingbar, eine möglichst realistische Selbsteinschätzung sowie ein möglichst profundes Weltwissen zu haben. Und Wissen beruht nicht nur auf Theorie, sondern vor allem auf Erfahrung. Auf Lebenspraxis.

Erst in einer existenziellen Krise erfährt du, wer du wirklich bist und was du wirklich taugst.

Wer dumpf sich treiben lassend durch die Weltgeschichte stolpert, muss sich nicht wundern, wenn ihn eines Tages die Flut mitreisst und ins Nirvana expediert.

Sich bestmöglich zu informieren und vertrauenswürdige und erfahrene Quellen zu haben, ist die Grundlage aller Lebenskunst.

Je besser jemand sein jeweiliges Lebens- und Arbeitsumfeld durchschaut und weiß, woher der Wind weht und wohin der Hase läuft, ist klar im Vorteil gegenüber denjenigen, die einfach alles auf sich zukommen lassen, ohne auch nur einen Schimmer zu haben geschweige denn einen eigenen relevanten Beitrag zu leisten.

Ich persönlich musste vor zehn Jahren dank der Umstände einen Veränderungsprozess vollziehen, der einer 180-Grad-Wende glich. Was mir dabei half, war das Bewusstsein dessen, dass diese Wende sich schon Jahre zuvor abzuzeichnen begann und somit nicht aus heiterem Himmel fiel. Ich konnte mich also gedanklich darauf einstellen und zu überlegen beginnen, wohin die Reise gehen sollte. Also einen Plan B zu entwickeln. (Es hilft übrigens ungemein, im Leben stets auch einen Plan B oder gar C in der Tasche zu haben…)

Mein Plan B (und Lebenstraum) hieß für mich schon lange: Brasilien!! (Nachdem A wie Alemanha/Deutschland gescheitert war.)

Es wäre dreieinhalb Jahre vor Austragung der FIFA Fussball-WM in Brasilien und einer rekordverdächtig wachsenden Wirtschaft der bestmögliche Zeitpunkt gewesen, ein ziemlich großes Rad drehen zu können, ohne sich mehr Stress als nötig zu machen!!

Aber meine Ex machte mir eine Strich durch die Rechnung. Nur ohne sie! Und ohne die Kinder!

Aus ihrer Sicht hatte sie durchaus recht damit. Denn sie war gerade im Begriff, wie eine Rakete durchzustarten und problemlos unsere Familie zu ernähren.

So musste ich nolens volens zugunsten meiner Familie meine eigenen Pläne beerdigen und setzte meinen Brasilien-Weg nur aus der Ferne literarisch und als Blogger intensiv fort.

Dank meines parallelen Engagements als Elternvertreter an der Schule unserer Kinder in Charlottenburg schnupperte ich in den Kosmos des herrschenden Bildungssystems hinein und staunte nicht schlecht, wie real und gegenwärtig die Krise des Bildungssystems selbst in einem angeblich so fortschrittlichen Land wie Deutschland ist!!

Ich nutze die sich bietende Gelegenheit, die Seiten zu wechseln und wurde Seiteneinsteiger im Grundschul-Lehramt, zunächst für ein paar Monate an der Schule meiner Kinder in Charlottenburg (im organisatorisch abgetrennten Bereich der angeschlossenen Europaschule), dann sogar als Klassenlehrer (!) einer 5. Klasse in Neukölln!

Das war ein Husarenritt!!

Niemand, der nicht mittels eigener persönlicher Kontakte oder Tätigkeit unmittelbaren Einblick in den heutigen Schulalltag hat, kann sich eine realistische Meinung über das real existierende Schulsystem bilden. Kein Artikel, kein Buch, keine wissenschaftliche Abhandlung kann das ersetzen!

Nichts ist mächtiger und eindrucksvoller als praktische Erfahrung! Sie ist durch keine Theorie zu ersetzen.

Und so musste ich erfahren, wie die Realität sowohl in eher homogenen Schulen wie an sogenannten gesellschaftlichen „Brennpunkten“ ist. Und da lag Vieles im Argen, was sich bis heute gewiss nicht entspannt hat. Ganz im Gegenteil.

Die Probleme potenzieren sich, und wenn sie erstmal ein bestimmtes Level erreicht haben, überwältigen und begraben sie dich unter sich.

Es kostete ungeheuer viel Kraft und Energie, jeden einzelnen Schultag zu überstehen – für alle Beteiligten! Die Lehrer, Sozialarbeiter, Hilfskräfte, Erzieher, Schüler, Eltern. Ein tagtäglicher Ritt auf der Rasierklinge, stets Gefahr laufend, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, sie nicht bewältigen zu können. Burn-Out ante portas!!

Eine furchtbare Situation, der ich schon bald wieder zu entfliehen trachtete.

Das war nicht das, wofür ich mein Leben opfern wollte!! Für meine Kinder würde ich zwar alles tun, aber ihnen wäre auch nicht damit geholfen, einen Vater in der Nähe zu haben, der dank Arbeitsüberlastung und beruflichem Stress ein seelisches Wrack und gereizter Zeitgenosse ist!

Wieso sollte ich mich auch für Andere aufreiben, die das gar nicht zu würdigen wussten? Das hatte ich längst hinter mir, nachdem ich schon die Teilnahmslosigkeit und Gleichgültigkeit meines eigenen Umfeldes an meiner prekären Situation erfahren hatte.

Wozu?

Meine Priorität lag zweifelsfrei auf der Entwicklung meines eigenen Lebens und dem meiner Kinder, nicht irgendwelcher anderer Leute, die sich letztlich einen feuchten Kehricht um mich kümmern und interessieren.

So wie du mir, so ich dir.

Ich begegne allen Menschen möglichst aufgeschlossen und unvoreingenommen. Aber sobald ich merke, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, schalte ich sofort um und mache zu.

Ich habe keine Zeit und keine Lust, meine wertvolle Lebenszeit mit Dingen zu verschwenden, die mir persönlich und meiner Situation nicht von Nutzen sind.

Das kann man tun, wenn man sich noch ausprobiert und das Leben kennenlernen will, aber nicht nach vier oder gar fünf Lebensjahrzehnten geballter Erfahrung.

Alles hat seine Zeit.

Und gelegentlich oder gar des Öfteren landen wir in Sackgassen, aus denen wir nur schwer wieder herauskommen.

Aber so ist das.

Eine Sackgasse ist keine Einbahnstraße, sondern mitunter ein wertvoller Versuch, der zwar einen Umweg darstellte, aber uns einen umfassenderen Eindruck vom Gesamtgelände verschafft. Insofern ist eine Sackgasse nicht unbedingt ein Fehlschuss, sondern einfach nur eine weitere praktische Erfahrung, aus der wir für die Zukunft lernen können.

Es ist immer wichtig, die Ursachen solcher Fehlschläge möglichst sachlich, selbstkritisch und realistisch zu analysieren. An die Wurzel zu gehen, die zu dieser Fehlentscheidung geführt hat.

Denn wenn man die identifiziert hat, kann man auch daran gehen, sie auszureißen oder zu verarbeiten, auf welche Weise auch immer.

Denn nur eine möglichst schonungslose und zutreffende Diagnose birgt die Chance, die notwendigen Korrekturen zu erkennen und vorzunehmen.

Ist die Diagnose schon fehlerhaft, dann sind es auch die daraus gezogenen Konsequenzen. Aus falscher Einsicht erwächst falsches Handeln.

Mitunter ist es zu spät, bis der Groschen gefallen ist. Dann hilft nur noch Glück oder das Schicksal, und man muss sich dem, was kommt, wehrlos fügen.

Wer dagegen den aufkommenden Sturm rechtzeitig spürt und wahrnimmt, der kann sich auch entsprechend vorbereiten und in Sicherheit bringen.

Dass da nicht alle dieselben Voraussetzungen mitbringen, versteht sich bei einer Weltbevölkerung von über sieben Milliarden Menschen von selbst.

Etwas Schwund ist immer.

Nicht alle Bäume und Sträucher tragen Früchte.

Und genauso wenig ist gesagt, dass immer die vermeintlich besten Exemplare den Sturm überleben. Oft sind es gerade die Kleinen, Unscheinbaren, Einfachen, welche die größte Resistenz aufweisen, weil sie sich mit wenig zufrieden geben und auf den Großen Auftritt verzichten, der die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht.

Bescheidenheit ist eine Zier.

In jeder Lebenslage.

Sie macht dich dankbar für alles und anspruchslos in deinen Erwartungen.

Je weniger du vom Leben oder anderen erwartest, desto weniger kannst du enttäuscht werden.

Erwarte nichts, dann wirst du vom Unerwarteten überrascht.

Erwarte viel, und du wirst enttäuscht werden.

Nicht umsonst gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass das persönliche Glücksgefühl nicht mit materiellem Reichtum wächst, im Gegenteil. Offenbar sind Menschen, die wenig haben, zufriedener und ausgeglichener als diejenigen, die allen erdenklichen Komfort dieses Zeitalters in Anspruch nehmen können.

Denn dieser „Komfort“ und „Luxus“ ist eigentlich nur eitler Tand, der am Ende auch nicht mehr als deine existenziellen Grundbedürfnisse befriedigen kann, wenn überhaupt.

Denn aller Überfluss ist überflüssig. Ein Strohfeuer der Eitelkeit.

Es braucht wenig, um glücklich und zufrieden zu sein (eine Grunderfahrung, die ich 2000 Auf dem Jakobsweg gemacht habe):

Ein Dach über dem Kopf. Ein Bett. Genug zu Essen und zu Trinken. Kleidung. Freunde. Gesellschaft.

Und fertig ist das Lebens- und Liebesglück!

Alles Andere ist „Nice to have“, aber kein „Must Have“.

Jedenfalls kein Anlass, deswegen gleich den gesamten Planeten samt Zukunft der Menschheit an die Wand zu fahren.

Wer glaubt, am Ende eines solch disruptiven Prozesses irgendwie als materieller „Sieger“ übrig zu bleiben, hat ein ersthaftes und eklatantes Wahrnehmungsproblem, was die Realität angeht.

Er wird zwangsläufig von der Wirklichkeit eines Besseren belehrt werden.

Denn der Sieg gilt stets den immateriellen Werten, die weit höher anzusiedeln sind als materielle Werte.

Häuser und Brücken stürzen ein, Städte und Länder werden zerstört, Imperien steigen auf und gehen wieder unter.

Was bleibt, sind die ewig gültigen Werte der Freundschaft, der Wissenschaft, der Solidarität. Des Miteinanders. Des Füreinanders. Des Vertrauens. Der Verantwortung. Des Respekts.

Sie überdauern alle Zeitenwenden.

Und verleihen dir eine innere Stabilität, die dich alle äußeren Erschütterungen bestehen und/oder ertragen und erleiden lässt.

Lebe den Moment. Lebe das Leben. Lebe dich selbst. Solange du es kannst. Denn das Leben ist endlich und jeder Moment und Tag könnte dein letzter sein.

Also genieße ihn. Erfreue dich an ihm. Setze in die Tat um, was du schon immer tun wolltest oder bereite es wenigstens schonmal vor.

Lebe!!

Jeder hat das gleiche Recht zu leben wie jeder andere auch!

NIEMAND hat irgendwelche Vorrechte. Weder qua Herkunft noch qua Funktion noch qua Vermögen noch qua Geschlecht oder was auch immer!

DAS ist der Kern von Artikel 3 GG !

NIEMAND kann und darf für sich in Anspruch nehmen, in Anlehnung an George Orwell gleicher zu sein als Andere, also gemäß XY irgendwelche Vorrechte gegenüber anderen genießen zu dürfen!

Gleiches Recht für alle!

Das ist das Ideal, dem es nachzustreben gilt! Das ist das Ziel, das eines schönen Tages erreicht werden soll.

Das ist nicht eine Beschreibung des Ist-Zustandes!

Das verwechseln viele, wenn sie darüber klagen, dass die Wirklichkeit vom GG abweicht. Ja, das tut sie zwangsläufig, denn als die Väter und Mütter des Grundgesetzes diese Grundsätze formulierten, lag Deutschland noch in Schutt und Asche und diese Ziele waren weit weniger realisiert als heute!

Menschen BRAUCHEN daher klar formulierte Ziele, denen sie folgen können. Einen Fixstern sozusagen. Eine Art Stern von Bethlehem. Denn andernfalls laufen sie nur plan- und orientierungslos bis panisch hin und her und verrennen und verirren und verlaufen sich…)

Eine bessere Welt ist möglich. Man muss sie nur wollen. Und dann in die Tat umsetzen.

Sachlich. Nüchtern. Vernünftig. Respektvoll. Gelassen. Konstruktiv. Positiv. Gerecht.

2 Gedanken zu „Zeitenwende – Wege aus der Depression“

    1. Dann hast du den Artikel nicht sorgfältig genug gelesen. Es geht darum, die Ursachen erstmal klar und selbstkritisch zu analysieren und dann an der Wurzel zu packen. Abgesehen davon wird der Begriff Depression hier auch allgemeiner verwendet, es geht nicht allein um einen mentalen Zustand.

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