Weltfrauentag

Es gibt Themen und Begriffe, mit denen kann man an jedem beliebigen Ort der Welt mit beliebigen Personen eine hitzige Debatte entfachen, und das Thema „Männer und Frauen“ und der Begriff „Feminismus“ gehören definitiv dazu. Zu dieser Debatte weiß wirklich jeder etwas beizutragen! Es ist ein Schlüsselthema unserer Epoche, denn wie eine Gesellschaft/Gruppe das Verhältnis zwischen Männern und Frauen definiert und praktiziert, so legt sie das Fundament des Zusammenlebens. Zeit also, anlässlich des Weltfrauentages meinen Senf dazu zu geben.

Brasilien, wo ich nach unzähligen Reisen und Aufenthalten nun seit über einem Jahr lebe, unterscheidet sich in dieser Hinsicht noch wesentlich von Deutschland, wenngleich die Feminismus- und #MeToo-Debatte zumindest schon die gebildete und international vernetztere Mittelschicht erreicht hat.

Aber in der großen Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung ist das Thema noch nicht so verbissen kontrovers, wie es in Deutschland, Europa, den USA – der westlichen Welt – der Fall ist.

Die Familie spielt noch eine sehr große Rolle im Alltag. Sie ist die wichtigste Organisationseinheit, weil der Staat im Vergleich zu Wohlstandsländern kaum Hilfen bereitstellt. Die von Lula eingeführte Bolsa Familia war und ist das einzig nennenswerte Projekt in dieser Richtung. Es garantiert armen bis sehr armen Familien mit Kindern eine Art Grundeinkommen und -versorgung, die sie vor Hunger und Obdachlosigkeit schützen soll. (Ist allerdings so niedrig, dass sie die Lebenshaltungskosten bei Weitem nicht deckt, was die unterste Armenschicht trotzdem nicht daran hindert, sich unentwegt fortzupflanzen. Im Gegenteil: sogar diese Aussicht auf ein noch so geringes festes „Grundeinkommen“ genügt, um Kinder zu zeugen. Staatliche Schule und Gesundheitssystem sind ja kostenlos.)

Obwohl das traditionelle Familienbild in Brasilien noch sehr weit verbreitet ist und praktiziert wird, ist der Lauf der Welt auch an Brasilien nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Und so eignet sich der Streit um die Familie, um die Rollenbilder von Mann und Frau zur politischen Polarisierung.

Am Beispiel des rechts-konservativen Präsidenten Jair Bolsonaro wird das derzeit besonders sichtbar. Er und seine Anhänger wettern gegen die Liberalität, gegen LGBT+, gegen Abtreibung, gegen Multikulti und Vielfalt.

Die konservative Fraktion wünscht sich offenbar Zeiten zurück, wo die Frau nur Hausfrau und Mutter und Repräsentantin ist und der Mann allein unter Männern seinen Geschäften nachgeht. Frauen dürfen – wenn sie jung und hübsch sind – bestenfalls zur Dekoration und zum Beischlaf dienen.

Das andere liberale Extrem ist eine Gesellschaft, die vor lauter Vielfalt keine gemeinsame Schnittmenge mehr findet und anarchische, chaotische Züge trägt.

Die rechtsextremistische Sicht des Bolsonaro-Lagers identifiziert ja allerorten in Brasilien nur noch Sodom und Gomorrha, Lesben, Schwule, unverheiratete Paare, sexuelle Freizügigkeit, linksideologische (in Deutschland würde man „grünversiffte“ sagen) Erziehung etc. und gibt dafür den abgewählten PT-Sozialisten von Ex-Präsident Lula die Schuld. Nun will man erklärtermaßen eine geistig-moralische Wende einleiten, wie einst Helmut Kohl, als er mithilfe der FDP 1982 die sozial-liberale Koalition unter Helmut Schmidt stürzte.

In der Tat sind es immer diese beiden Lager, die sich gegenüberstehen und um die Deutungshoheit kämpfen. Mal überwiegt das eine, mal das andere.

Und die Wahrheit, das Richtige liegt – wie immer – in der Mitte!

Man kann diese beiden extremen Seiten nämlich durchaus miteinander versöhnen. Wenn beide Seiten von ihren Maximalforderungen abrücken!

Equilibrium. Harmonie. Das ist der Grundzustand, der erreicht werden muss, wenn wir ein zufriedenes, ausgeglichenes, glückliches Leben miteinander führen wollen.

Jeder hat da so seine eigenen Prägungen. Und solange ich bei meinem Gesprächspartner (bitte das Gendersternchen * immer dazudenken!) gar nicht weiß, woher er kommt, wie und wo er aufgewachsen ist (#vonhier), kann ich seine Aussagen zum Thema gar nicht einordnen. Denn wie jemand denkt und fühlt, hat ja zuallererst mit eigenen Erfahrungen zu tun und die können so unterschiedlich ausfallen wie es Sterne am Himmel gibt.

Wenn also eine Frau zum Beispiel extrem feministische Ansichten vertritt, sich als Lesbe definiert und alle Männer für Schweine hält, wird sie wohl einige schlimme Dinge im Leben erfahren haben, die sie zu so einer extremistischen Ansicht verleiten.

Bei Männern gestaltet sich das etwas anders – glaube ich. Wie wir aus der katholischen Kirche inzwischen wissen, gibt es zwar sexuellen Missbrauch an Männern. Aber er dürfte zahlenmäßig deutlich geringer ausfallen als bei Mädchen und Frauen. Das männliche Geschlecht ist normalerweise dasjenige, das übergriffig wird. Das liegt im wahrsten Sinne in der Natur der Sache, schließlich hat der Mann beim Geschlechtsakt den aktiveren Part: Die Frau muss im Grunde nur die Beine breit machen, um den Mann eindringen zu lassen.

Wenn ich mir so meine beiden Rüden anschaue und die zahlreichen Hunde in meiner Nachbarschaft, dann sind Hunde in dieser Hinsicht weit weniger zimperlich als Menschen: selbst wenn die Hündin den Rüden eindeutig abwehrt, lässt er nicht nach, bis sie nachgibt. Sex ist in seiner Natur etwas sehr Rustikales, Grobes, Gewalttätiges. Und bringt gerade damit die animalische Lust zum Kochen!

Wir Menschen halten uns ja für fortschrittlicher und sind aus diesem Stadium dank jahrtausendelanger Zivilisation weitgehend hinaus. Aber die Triebe sind trotzdem da und müssen hier und da gezähmt werden, um das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen zu schützen,

Nachdem im Abendland jahrhundertelang die Bibel und die Kirche die moralischen Maßstäbe gesetzt haben, sind wir nun mitten im Zeitalter der totalen Individualisierung und Selbstbestimmung angekommen, das sich gemäß Kant als „Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (1784) definiert. Aufklärung.

Mehr als 200 Jahre sind seitdem vergangen und man sieht, wie lange es mitunter braucht, damit sich eine Idee in alle Verästelungen einer Gesellschaft einnistet. Viele Länder – vor allem im Osten unseres Globus – sind noch nicht so weit. Und vielleicht wollen sie auch nie so weit kommen.

Wer sich eine Welt von Gestern zurückwünscht, kann das ja gerne in irgendeiner abgelegenen Enklave für sich realisieren, aber bitte nicht von anderen verlangen, dass sie es genau so machen müssen! Und genau so müssen die Libertäten akzeptieren, dass nicht alle so „unmoralisch“ leben wollen wie sie.

Wenn  jemand gegen Abtreibung ist – aus welchen Gründen auch immer – kann er das ja weiter sein und in seinem eigenen Leben so praktizieren.

Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben und die notwendige, sachgerechte Information im Vorfeld bereitzustellen bedeutet ja keinen Zwang zum Abbruch! Es ist ein Recht. Niemand wird gezwungen, einen Abbruch vorzunehmen. Aber denjenigen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – in einer solchen Lage befinden, Hilfe zu verwehren ist unethisch und hat auch mit christlicher Nächstenliebe rein gar nichts zu tun.

Der Staat sollte endlich aufhören, ständig in das Leben der Leute hineinzuregieren und sollte so viel Entfaltungsmöglichkeiten wie irgend möglich bereitstellen. Die Kreativität der Menschen ist unendlich, und wenn man sie entfacht,  können wunderbare Dinge entstehen.

Die Grundlage des Miteinanders muss der gegenseitige RESPEKT sein. Leben und leben lassen. Jeder auf seine Weise, ohne die anderen damit zu belästigen. Die Welt ist groß genug, dass sich für jede Fraktion ein Fleckchen finden lässt, wo sie ihre Lebensphilosophie oder Folklore ausleben kann.

Jeder hat so seine Kultur, seinen familiäre und gesellschaftliche Prägung. Und das ist gut so. Kulturelle Vielfalt bedeutet Reichtum!

Und solange niemand einen Alleingeltungsanspruch vertritt und andere zwingen will, so zu denken und zu handeln wie er, ist alles in Ordnung.

Ich würde ja dazu raten, die Bibel und den Koran zu begraben oder im Museum auszustellen und das gesellschaftliche Miteinander auf der Basis von Vernunft und gegenseitigem Respekt neu zu organisieren. Übergeordnete Organisationen wie Staaten müssen dabei ideologiefrei und so neutral wie möglich agieren.

Der Staat in Nachtwächterfunktion: er stellt die Infrastruktur bereit, sorgt für Sicherheit und Ordnung. Und hält sich ansonsten aus dem Privatleben der Bürger heraus. Die Bürger sollen sich möglichst selbst organisieren, lokal, vor Ort. Alles, was eine übergeordnete Organisation erfordert, wird an die nächst höhere Ebene delegiert. Die hierarchisch höchste Organisationseinheit ist „der Staat“ (wenn es seiner in nächster Zukunft überhaupt noch bedarf – in unserer globalen Welt braucht es eigentlich eine „Weltregierung“).

Dieser Staat braucht keine „Parteien“, sondern Experten aus den unterschiedlichsten Gebieten, vor allem der Verwaltung, Technik, Infrastruktur.

Wir brauchen keine hochbezahlten Deppen, die den lieben langen Tag nichts anderes tun, als dummes Zeug in der Öffentlichkeit zu verbreiten um sich auf Kosten von irgendjemandem zu profilieren.

„Politiker“ haben Diener der Bürger zu sein und haben sich in den Dienst der Sache und Allgemeinheit zu stellen und pragmatische Lösungen für konkrete Probleme anzubieten und umzusetzen! Wertfrei, unideologisch. Alles, was in irgendeiner Weise individuelle Wertvorstellungen berührt, geht den Staat nichts an. Der Staat hat so neutral und unauffällig wie möglich zu sein. Er hat zu funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk. Lautlos, reibungslos.

Zölle, Steuern – alles abschaffen! Die einzige Steuer, die der Staat bekommen soll, ist die Mehrwertsteuer. Fertig! Der Rest des Gewinns gehört denen, die ihn erwirtschaftet haben!

Für alle gelten dieselben Rechte. Es gibt keinerlei Privilegien. Für niemanden. Vor dem irdischen Gesetz sind alle gleich! (Wer an ein überirdisches Gesetz glaubt, kann seine Hoffnungen gerne darauf richten, für den Staat ist das aber völlig irrelevant.)

Oberstes Prinzip ist die größtmögliche Selbstorganisation und Selbstverwaltung der jeweiligen Einheiten.

Wie jemand seine eigene Familie definiert, bleibt jedem selbst überlassen. Wenn jemand das traditionelle Modell bevorzugt – schön für ihn. Darf er gerne machen.

Aber wenn jemand lieber eine gleichgeschlechtliche Gemeinschaft lebt oder ein Patchwork-Modell – dann darf er das auch!

Freiheit und Selbstbestimmung sind das Prinzip. Jede Jeck is anders, heißt es in Köln. Der Staat hat kein Recht, seinen Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.

Auch Schulen sollten mehr nach dem Prinzip Eigenverwaltung gestaltet sein, ideologiefrei. Allein an den Bedürfnissen der Gemeinschaft orientiert. Sie hat den Kindern vor allem das soziale Miteinander zu vermitteln, neben schreiben, rechnen, lesen und einem Basiswissen über Biologie, Geografie, Sachkunde, Lebenskunde.

Schulen müssen modern ausgestattet sein. Internet und Computer gehören zur Grundausstattung. Schule hat die Schüler an die Erfordernisse des Lebens heranzuführen, indem sie Theorie und Praxis in einem ausgewogenen Verhältnis vermittelt.

Dasselbe gilt für Universitäten und andere Bildungsstätten.

Auf der Ebene des Ortes, des Landkreises, der Städte laufen die Fäden zusammen. Hier werden die Dinge geregelt und organisiert, die mit der unmittelbaren Organisation des Alltags zu tun haben. Sie haben dafür zu sorgen, dass vor Ort alles reibungslos läuft und die notwendige Infrastruktur bereitsteht.

Je höher die nächsthöhere Einheit hierarchisch angesiedelt ist, desto geringer (!) ist ihre Bedeutung.

Der Staat hat im Grunde nichts anderes zu tun, als das Miteinander der niedriger angesiedelten Einheiten zu moderieren und zu organisieren und für möglichst ausgeglichene Lebens- und Wohlstandsverhältnisse zu sorgen.

Gerichte müssen entlastet werden und höhere Instanzen sollen nur dazu dienen, Konflikte zu lösen, die ihrem jeweiligen Level der öffentlichen Ordnung entsprechen. Ein lokales Problem wird lokal gelöst, ein generelles  Grundsatzproblem auf oberster Ebene. In den meisten Fällen sind juristische Probleme auf Amtsgerichtsebene zu regeln. Eine Entscheidung kann dann zwar angefochten werden, das geschieht aber auf derselben Ebene. Es darf nicht mehr für jeden Pups einen endlosen Gang durch die Instanzen geben!

Angesichts des Klimawandels hat sich alles einem einzigen obersten Prinzip zu unterwerfen:

Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage durch absolute Nachhaltigkeit!

Die weitere Ausbeutung und Verschmutzung unseres Planeten muss umgehend eingedämmt und abgestellt werden!

Produkte sind wieder dort zu produzieren, wo sie auch konsumiert werden. Dieses globale Produktionssystem mit diesem aberwitzigen Transport von Dingen von A nach B und C und zurück zu A muss beendet werden! Ebenso die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft in Niedriglohnländern, die nur dazu dient, die Gewinne der Eigentümer zu steigern.

Gewinne gehören nicht den Eigentümern, sondern sind fair und angemessen auf alle Beteiligten auszuschütten und in die Verbesserung des Produkts zu investieren.

Eine kostenlose gesundheitliche Grundversorgung ist Sache des Staates. Medizinisch nicht notwendige Dinge wie zum Beispiel Schönheits-OPs und selbstbestimmte Abtreibungen sind dagegen privat zu zahlen.

John Lennon hat in seinem Song Imagine den Grundriss für diese Zukunftsvision gezeichnet: eine Welt ohne Grenzen, ohne Nationen, ohne Religionen. Ohne Besitztümer, die über das hinaus gehen, was Menschen brauchen, um ein angenehmes und friedvolles Leben zu leben, im Einklang mit ihrem Umfeld, der Gesellschaft, der Natur.

Ein Paradies auf Erden.

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