Tauschen und Teilen

Die vom Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert in Deutschland losgetretene Debatte um mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit schlägt hohe Wellen. Weil sie den Nagel auf den Kopf trifft. Wer meinen Blog liest und auch sonst breiter aufgestellt ist in seiner Filterblase, dürfte mit Stirnrunzeln quittieren, dass Kühnerts Vorschläge so viel Wirbel verursachen. Denn wer seinen Verstand benutzt und die Dinge realistisch und nicht ideologisch betrachtet, kann zu keinem anderen Schluss kommen.

Die Vermögen sind auf dem Planeten absolut ungleich verteilt und befinden sich zu einem wesentliche Teil in der Hand einiger Weniger. Wer jetzt schreit und die Vermögenden in Schutz nimmt, ist entweder blind und taub oder gehört zur Fraktion derjenigen, die von diesem Status Quo profitieren und sich damit an der Gemeinschaft vergehen.

Das sind die Fakten, auch in Zeiten von Fake News.

Dass das so nicht bleiben kann, steht auch außer Frage. Also muss man nach Wegen und Lösungen suchen, um diese existenziellen Probleme aus der Welt zu schaffen.

Wie man das letztlich im Einzelnen tut, muss eben verhandelt werden.

Aber das Ziel steht klar vor Augen: Klimarettung, Planetenrettung, Lebensrettung. Generationengerechtigkeit.

Es geht um nichts Geringeres als einen fundamentalen Bewusstseinswandel, um eine fundamental andere Sichtweise, um einen Wertewandel, der auf unserem derzeitigen Wissen, unseren Erkenntnissen und Erfahrungen beruht.

Das klingt jetzt ungemein dramatisch. Ist es aber eigentlich gar nicht. Nur ein neuer Blickwinkel, eine andere Perspektive. Wir werden zwar Vieles anders machen, aber dafür besser, weil es im Einklang mit unserer natürlichen Lebensgrundlage und dem Streben nach Gerechtigkeit für alle steht.

Es geht nicht darum, Reichtum per se zu verteufeln. Es gibt sehr viele Reiche, die viel für Andere, für die Gemeinschaft und für den Planeten machen und getan haben und die ohne nachzudenken bereit sind, ihren Anteil beizusteuern. Aber es bleibt ein Akt persönlichen, freiwilligen Gutmenschentums, keine gesellschaftlich eingeforderte Pflicht (Eigentum verpflichtet, heisst es aber im Grundgesetzt).

Es geht auch nicht darum, irgendjemandem seines Existenzminimums oder seines Eigentums zu berauben. Es geht darum, Exzesse, die im großen Umfang stattgefunden haben und stattfinden, einzudämmen.

Erstens braucht das niemand, um wirklich glücklich zu sein, zweitens fügt es der Gemeinschaft einen unermesslichen Schaden zu. Allein die Finanzkrise ist ein schreiendes Beispiel dafür.

Dank der Sozialen Medien ist es inzwischen zu unserer zweiten Natur geworden, unsere Gedanken und Erlebnisse mit Freunden und Verwandten und Unbekannten zu teilen, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Jeder bringt seine Expertise, seine persönliche Sicht der Dinge ein, ohne dafür von dem anderen Geld zu verlangen. Die einzige Erwartung ist, dass die Anderen einem wenigstens ihre Aufmerksamkeit schenken und im Gegenzug reagieren bzw. ihre Gedanken und Erlebnisse und Sichtweisen ebenfalls teilen. Kommunikation ist eben keine Einbahnstraße. Es nervt mich nach wie vor, wie besonders sich zur Medienelite zählende Leute noch der Gewohnheit anhängen, Debatten zwar anzustoßen, sie dann aber nicht weiter zu moderieren oder nur mit den Leuten, die ihnen für ihre Karriere wichtig sind.

Kommunikation hat tendenziell auf Augenhöhe stattzufinden, wenn die entsprechende Kompetenz (!) und der notwendige Respekt vorhanden sind.

Dort, wo das gelingt, ist der Mehrwert offensichtlich.

Nicht nur ich sehe darin ein zukunftweisendes Model: Die Sharing Economy!

Im informationellen Bereich haben wir sie ja im Grunde längst verwirklicht. Auf den großen Marktplätzen der Social Media sind wir alle gleichermaßen Gebende wie Nehmende.

Deswegen steht für mich auch zweifelsfrei fest, dass Information ein Gut ist, das allen gleichermaßen zur Verfügung stehen muss. Kostenlos. Nur weil jemand arm und mittellos ist, darf er nicht per se vom freien Zugang zu möglichst unabhängigen und sachlichen Informationen ausgeschlossen sein. Wie sich das finanziert, ist immer noch das große Geheimnis unserer Zeit. Heute gibt es jedoch so viele Experten auf allen nur denkbaren Gebieten, die ihr Geld nicht mit Publizieren verdienen müssen und es trotzdem tun, weil sie ihre Erfahrung gerne teilen möchten, dass es den klassischen Journalisten womöglich gar nicht mehr braucht.

Der klassische Journalist ist ja gewissermaßen ein Alles-Aber-Nichts-Richtig-Könner, ein Generalist, dessen Spezialität es ist, sich möglichst schnell auch in ihm fremde oder neue Sachverhalte einzuarbeiten und sie einer definierten Öffentlichkeit verständlich und glaubwürdig zu präsentieren.

Heute sind wir ja alle irgendwie Journalisten. Jeder kann problemlos einen Blog aufmachen und seinen Senf zu allem dazugeben. Solange das für irgendjemanden von irgendwelcher Relevanz ist, ist das eine schöne Sache. Der Journalist – früher der Gatekeeper der Informationsvermittlung – ist demokratisiert, pluralisiert. Klassische Journalisten wirken dabei wie Überbleibsel einer Ära, die im Grunde schon abgelaufen ist.

Ich brauche keine Welterklärer, die heute einen Bericht über dies und morgen über jenes machen, ohne wirklich tiefere Kenntnis und tieferen Einblick in die Materie zu haben. Deswegen finde ich auch Marietta Slomka so unerträglich, weil sie immer diese Miene der Allwissenden und Allverstehenden aufsetzt, egal, welches Thema sie anmoderiert. Dabei sitzt die den lieben langen Tag in ihrem Büro am Computer, liest Zeitungen, Agenturmeldungen, telefoniert, quatscht mit Kollegen, aber geht nicht raus vor Ort, noch war sie jemals eine herausragende Reporterin, die auf einen großen Fundus an Welt- und Lebenserfahrung zurückblicken könnte. Das ist bei Klaus Kleber schon etwas anderes, und Kleber besitzt bei aller Bekanntheit die Bescheidenheit, sich selbst und seine Rolle zu reflektieren und nicht so ernst zu nehmen. Sehr gut.

In der Sharing Economy ist das Ziel nicht, für sich persönlich möglichst viel Ruhm und Geld zu erreichen, sondern seine Fähigkeiten und Talente für die Gemeinschaft einzubringen und diese als Ganze nach vorne zu bringen.

Geld, wie wir es heute als Grundlage unseres Wirtschaftssystems kennen, wird dabei eine immer geringere Rolle spielen.

Das Miteinander wird von einem Geben und Tauschen von Dienstleistungen und Waren bestehen, das auf gar keinen fest zu bestimmenden Preisen beruht.

Hier in meinem brasilianischen Ort, in dem ich lebe, läuft viel nachbarschaftlicher Austausch auf dieser Ebene.

Mein Nachbar hat z.B. eine lange Leiter, die er mir ausleiht, damit ich Verbesserungsarbeiten an meinem Haus vornehmen kann. Im Gegenzug stelle ich meinen Pickup zur Verfügung, damit er Material für sein Haus transportieren kann. Die meisten hier haben einen großen Garten und bauen Obst und Gemüse an und/oder halten Nutztiere. Bei mir sind gerade eine Menge Bananen reif geworden, die ich allein gar nicht verspeisen kann. Ich habe sie an Nachbarn und Freunde verteilt. Im Gegenzug treten sie mir  bei Gelegenheit etwas von ihrer Ernte ab. Man kann das endlos weiterspinnen und weitere Waren und Dienstleistungen miteinander tauschen. Da viele Brasilianer zum Beispiel zur Zeit nicht flüssig sind, tauschen sie zum Beispiel Motorrad oder Auto gegen Grundstück. Natürlich gibt es bei Dingen und Dienstleistungen gewisse Richtwerte, aber je nach Dringlichkeit würden die Beteiligten den Wert ihres jeweiligen Angebots unterschiedlich bemessen. Je dringender ich etwas brauche, desto wertvoller ist es für mich. Für jemand anderen kann dasselbe zur gleichen Zeit völlig wertlos sein.

Auf dem Land ist eine solche Art des Wirtschaftens natürlich ungleich leichter zu realisieren, weil wir für manches kein Geld brauchen, um zu überleben. Je mehr es einem gelingt, auf seinem Grund und Boden nahezu autark und unabhängig zu leben, desto besser. Wasser bekommen wir hier glücklicherweise kostenlos direkt vom nahe gelegenen Wasserfall. Aber noch bin ich vom lokalen Strommonopolanbieter abhängig, was mir nicht gefällt. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis ich mir eine Solarstromanlage auf’s Dach montieren lasse.

Leider gibt es in Brasilien kein staatliches Programm, das Hausbesitzer dabei unterstützen würde. Noch scheue ich die hohen Investitionskosten, zumal ich für dieses Geld sehr sehr viele Jahre meine Stromrechnungen bezahlen könnte…(realistischerweise weit über mein Lebensende hinaus…)

Wichtiger ist daher die lebensmitteltechnische Unabhängigkeit. Mein Grundstück ist groß genug, um hier Gemüse und Kräuter und kleinere Nutztiere wie Hühner zu ziehen. Obstbäume hatte ich schon bei Einzug genug.

Die Einnahmen aus der Vermietung meiner Gästezimmer und meines Eventbereichs sowie meine publizistische, musische und pädagogische Tätigkeit dienen mir als Einnahmequellen im klassischen Sinne. Aber auch sie stehen als „kostenloses“ Tauschangebot zur Verfügung.

Das ist ein Prozess, der Zeit braucht, und Gott sei Dank habe ich in finanzieller Sicht genug Luft, um mir darüber jetzt nicht den Kopf zerbrechen zu müssen. Wenn nötig, muss ich meine Anstrengungen eben verdoppeln oder Wertsachen versilbern. Aber es läuft ja schon gut und smooth und entspannt.

So soll es sein. Entspannt.

Ich habe mich lange genug im Hamsterrad gedreht und versucht, die Anforderungen zu erfüllen, die von Außen an mich herangetragen wurden und gleichzeitig zu versuchen, meinen eigenen Weg zu gehen.

Ich bin da an Grenzen gestoßen, wo mein Anspruch und die Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung zu bringen waren und immer mehr auseinanderdrifteten, sowohl beruflich wie privat.

Es konnte nur noch einen harten Schnitt und Cut geben!

So nicht! Das war klar wie sonstwas.

Ich habe mich Gott sei Dank nie gescheut, unbekannte und neue Wege einzuschlagen, im Gegenteil. Ich war schon als Kind ein neugieriger Wanderer, der in allen Häusern Einlass fand und sich schnell langweilte, wenn ich zu lange an einen Ort gebunden war.

Jetzt bin ich zumindest das erste Mal in meinem Leben an einem Ort, von dem ich auf absehbarer Zeit (Lebensende?) nicht mehr weg möchte.

Ich bin da, wo ich hin wollte (mit Abstrichen, die aber nicht mehr in meinem Einflussbereich liegen).

Der Rest ist – so Gott will – Genießen. Leben. Sharen.

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