Integration statt Separation

Mein langjähriger, früherer Klassenlehrer am Gymnasium sagte mal zu meinem Vater, der gleichzeitig Kollege an derselben Schule war: „Dein Sohn ist eine integrative Persönlichkeit“. Da war er schon länger nicht mehr mein Klassenlehrer, da ich mich schon in der Oberstufe befand, wo es nur noch Wahlkurse, keine Klassenverbände mehr gab.

Ich fühlte mich selbstverständlich sehr geschmeichelt und geehrt und in höchstem Maße gewürdigt. Ich wäre damals nicht auf die Idee gekommen, mich selbst so zu umschreiben. Aber nachdem mein erwachsener und erfahrener ehemalige Klassenlehrer nun seine Version von mir formuliert hatte, ging mir ein Licht auf und mir wurde bewusst, dass dies wohl tatsächlich die treffendste Umschreibung meiner Person war. Chapeau!

Es wurde mir zum Leitsatz, zur Affirmation, zum Mantra meines Lebens, meines Denkens, Redens und Handelns.

Ich wollte immer jemand sein, der seinen Mitmenschen Aufmerksamkeit schenkt, freundlich zu jedermann/frau ist und mit allen im Frieden lebt. (Dass dies zwangsläufig zu Enttäuschungen über die reale Welt da draußen führen musste, versteht sich auch von selbst…)

Darauf bilde ich mir nichts weiter ein, denn in der Tat bin ich einfach so geboren worden. Wie ich überhaupt der Überzeugung bin, dass niemand etwas für seinen Charakter kann. Er ist auch gar nicht beeinflussbar, änderbar. Ein Träumer bliebt ein Träumer, ein Pedant ein Pedant, der Dieb ein Dieb und der Aggressor ein Aggressor.

Wer glaubt, man könne mit mehr Investitionen ins Bildungssystem und viel Ethik-Unterricht daran irgend etwas ändern, der täuscht sich.

Schule ist wichtig, Schule ist prägend für’s Leben. Aber weniger anhand der Lernstoffe, die vermittelt werden, sondern vor allem als sozialer Ort, wo alles zusammenkommt, was eine Gesellschaft ausmacht.

Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, sie ist gewissermaßen der wahre Kern der Gesellschaft, nicht die von Konservativen so gerne hoch gehaltene biologische „Familie“, deren idealisiertes Konzept längst als Leitbild der Vergangenheit angehört.

In der Schule kommt alles zusammen: Politik, Wirtschaft, Bildung, Familie, Lehrer, Kinder, Erzieher undundund.

Das macht Schule so schwierig, das macht sie aber auch so spannend.

Dank meiner eigenen Kinder, meines Engagements als Elternvertreter in Berlin Charlottenburg und schließlich sogar meiner zweijährigen Tätigkeit als Seiteneinsteiger an zwei Berliner Grundschulen (zuletzt in Neukölln) habe ich in diesem zu Ende gehenden Jahrzehnt nochmal einen sehr intensiven Einblick in die aktuelle Bildungssituation in Deutschland bekommen. Und ich habe sie aus der Perspektive eines langjährigen Nachrichtenjournalisten betrachtet, der darüber informiert ist, was sich in der Welt so tut und wie die Medienbranche tickt.

Und es ist kompliziert, keine Frage.

Jede Schule hat eigentlich mit eigenen Problemen zu kämpfen (selbst an den teuren privaten Eliteschulen fährt der Zug der Zeit nicht vorbei!).

Wie muss Schule heute reagieren? Auf diese unübersichtliche, chaotische, gewaltvolle Welt da draußen? Auf die Digitalisierung? Auf die Globalisierung? Auf die Migration? Auf die Inklusion?

Gerade die aktuelle Schülerbewegung um den #ClimateChange, angeführt von der neuen Jeanne d’Arc des digitalen Zeitalters, der 16-jährigen schwedischen, mit Asperger-Syndrom geborenen Schülerin Greta Thunberg, führt uns das aktuell vor Augen.

Sofort starteten besorgte Eltern die Diskussion, ob man es den Kindern verbieten solle/müsse, die Schule an jedem #FridayForFuture zu schwänzen, um Druck auf die Politik und Öffentlichkeit auszuüben, endlich zu handeln.

Meine Position war von Anfang an ganz klar und eindeutig: Die Demos sind wichtiger als der Schulunterricht!

Für einen erfahrenen Pädagogen kann es keine bessere Gelegenheit geben, als ein solches Momentum zu nutzen, um den Kindern alles an die Hand zu geben, was für das Thema Klimaschutz wichtig ist. Und wie man eine Kampagne zum Erfolg führen kann! So funktioniert unser Gesellschaft heute. Das ist die Realität, ob sie einem gefällt oder nicht.

Und es ist wissenschaftlich einwandfrei bewiesen, dass MOTIVATION die beste Voraussetzung ist, um etwas zu lernen, sich Wissen anzueignen.

Und dass PRAXIS, die praktische Anwendung theoretischen Wissens, die beste Methode ist!

Das sind pädagogische Grundgesetze.

Der Lehrer als Meister steht den Schülern zur Seite, als Berater, Steigbügelhalter, Begleiter, Betreuer, Ratgeber.

Je mehr er in der heutigen digitalen Welt zu Hause ist, desto besser (da fängt das Problem angesichts überalterter Kollegien schon an…). (Deswegen begrüße ich ausdrücklich die – wenn auch aus der Not geborene – Öffnung der Schulen für Quer- und Seiteneinsteiger! Schulen brauchen mehr Leute aus der Praxis!)

Aber selbst die älteren Kollegen können eine sehr wertvolle Hilfe sein, selbst wenn sie nicht technikaffin sind. Denn Demos wurden auch schon früher organisiert. Geändert haben sich nur die zur Verfügung stehenden Mittel. Die Botschaft bleibt die gleiche. Und was Technik angeht, sind die Kids in ihrer Schwarmintelligenz eh weiter als ein noch so bewanderter erwachsener Experte.

Moderne Schulen müssen selbstverständlich dementsprechend über eine zeitgemäße Ausstattung verfügen. An der Digitalisierung der Klassenräume führt kein Weg vorbei! Sie muss JETZT vollzogen werden! Nicht morgen oder übermorgen!

Dazu gehört natürlich auch die entsprechende Schulung und Weiterbildung des pädagogischen Personals. Es macht keinen guten Eindruck, wenn Lehrer ihren Schülern theoretisch und praktisch unterlegen sind!

Alles, was am gesellschaftlich so relevanten Ort Schule passiert, muss sich einem Motto unterwerfen:

INTEGRATION

Integration ist das oberste aller Ziele.

Etwas, egal was, funktioniert nur, wenn alle seine Bestandteile perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Das gilt in allen Lebensbereichen, in allen Berufen, in allen Unternehmen, in allen Institutionen.

Und da sich das Leben laufend ändert und die Welt sich weiterdreht, muss man eben auch laufend nachjustieren.

Dabei müssen Aufwand und Ertrag in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen und selbstverständlich kann man nur investieren, was man auch hat.

Eine Schule muss heutzutage unzählige verschiedenen Interessen miteinander in Einklang bringen. Das ist heute schwieriger als es noch zu der Zeit war, als ich Schüler war. Denn die Rollen waren noch klar verteilt: Der Lehrer, die Schulleitung waren die Autorität. Die Eltern haben sich wenig eingemischt und die Schule war noch nicht vollends zum Spielball der Bildungspolitik geworden, die heute durch ihre zersplitterten ideologischen Fraktionen eine durchgängige Linie nahezu unmöglich machen.

Ich denke, es ist allerhöchste Zeit, die Schulen von allem ideologischen Ballast zu befreien und sie zu modern ausgestattet Lernorten zu machen, wo die Kinder bestmöglich auf das Leben da draußen vorbereitet werden.

Je mehr Autonomie die jeweiligen Schulen haben, desto besser. Die Betroffenen vor Ort wissen am besten, woran es fehlt. Die Politik soll einfach nur die Mittel bereitstellen und ansonsten am besten die Klappe halten und sich um andere Dinge kümmern.

Denn wenn wir über den Tellerrand der Schulen blicken, sehen wir viele Probleme in der Welt, die einer Lösung bedürfen. Natürlich möglichst auf friedlichem Wege.

Und auch dabei gilt das Leitziel INTEGRATION.

Aktuell haben wir ja zwei gegenläufige Strömungen in der Welt: Einerseits sehen wir eine Welt, die völlig gloabalisiert ist, in der es keine unüberwindbaren Entfernungen mehr gibt.

Andererseits sehen wir den Trend zur Separation in Gestalt des Neuen Nationalismus, Separatismus und der Handelskriege, die US-Präsident Trump angezettelt hat.

Befeuert wird der nationalistische Trend vom Thema Migration.

Dabei liegt es auf der Hand, dass eine in ökonomischer Hinsicht global aufgestellte Welt auch globale Migration zur Folge hat. Je nach dem, von welcher Art der Migration man redet, ist sie ja auch gewollt, erwünscht und längst eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Viele Leute in Führungspositionen reisen aus beruflichen Gründen um die ganze Welt. Auch Touristen möchten so wenig Barrieren wie irgend möglich im Weg haben.

Die Debatte dreht sich deswegen ja auch nicht um diese Klientel, der es ja gut geht, die zu den Gewinnern und Profiteuren der Globalisierung gehört.

Es geht um die Habenichtse, die Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge, die einfach nur weg wollen von diesem lebensunwerten Ort, an dem sie leben. Sie haben sich ein anderes Leben erträumt und vorgestellt. Alle wollen nur eins: überleben, besser leben. In Frieden und Wohlstand.

Da die Armuts- und Kriegsflüchtlinge das Ergebnis der menschenverachtenden globalen Wirtschaftspolitik sind, die einen ungeheuren Ressourcenverbrauch auf Kosten der Allgemeinheit und der künftigen Generationen generiert, müssen sich die Gesellschaften nolens volens mit dieser Realität anfreunden.

Natürlich kann  man einfach die Augen verschließen, sich abschotten, sich bewaffnen und diese armen Leute einfach massenweise abschlachten oder dahinsiechen lassen…

Hallo???

Nein. Natürlich nicht!

Wer so denkt, der sollte selbst gesteinigt oder den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden! (Die alten Römer hatten’s noch gut…)

Selbstverständlich kann man auch nicht in einem Akt totalen Gutmenschentums einfach alle Tore aufmachen und egal wen reinlassen! Das würde ich mit meinem eigenen Haus ja auch nicht machen! Dafür sind Menschen an sich zu wenig vertrauenswürdig.

Es muss also klare Kontingente geben, die sich an angemessenen Kriterien orientieren. Und ansonsten muss natürlich die URSACHE der Migration beseitigt werden. Sprich: die Ungleichheit in den Lebensbedingungen!

Wenn man mit der Ausbeutung der Ressourcen und Menschen aufhört, damit ein paar wenige noch reicher werden, als sie eh schon sind.

Es muss einen fairen Ausgleich der Interessen geben. Und der wird selbstverständlich auf Kosten derjenigen gehen, die mehr haben als die anderen.

Enteignung! Sozialismus! Höre schon die Rufe.

Nein. Es geht nicht um Enteignung und um Gleichmacherei.

Es geht nur um mehr Gerechtigkeit für alle. Es geht darum, dass alle ein Lebensrecht haben und die Reichtümer dieses Planeten nicht für private Profitgier bestimmt sind, sondern für die Allgemeinheit. So wie Norwegen das mit den Einnahmen aus seinen reichen Ölvorkommen macht.

Die Profitgier ist doch die hässliche Fratze der globalisierten Wirtschaft, die regungs- und mitleidlos über Leichen geht.

Ich habe nichts gegen Reiche, ich habe nichts gegen Eigentum. Aber Eigentum verpflichtet, heißt es ja schon im Art. 15 des Grundgesetzes. Dort wird ausdrücklich auch die Möglichkeit der Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit genannt. Das ist nicht Sozialismus oder Kommunismus, das ist schlicht und einfach vernünftig, wenn eine Gesellschaft und die globale Welt zu solchen Ungleichgewichten führen.

Es muss alles auf den Tisch und es müssen alle beteiligt werden, um  gemeinsam eine möglichst gerechte Lösung zu finden, mit der alle leben können.

Multilateralismus nennt man so etwas.

Ist sehr anstrengend und nervenaufreibend und im Ergebnis selten ein großer Brüller.

Aber es ist immer noch besser, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

Und solange jeder dem anderen wenigstens mal ernsthaft zuhört und versucht, dessen Sichtweise zu verstehen, sich in ihn/sie hineinversetzt, sind wir schon einen Schritt weiter.

Es nervt in den sozialen Netzwerken ungemein, wie schnell Debatten zu bestimmten Reizwörtern sofort einen Shitstorm auslösen, in dem die Leute jeden Anstand fahren lassen und sofort zu schweren Geschützen greifen. So viel Aggression! Unglaublich.

Im Ergebnis bringt sie nichts. Außer, dass sich die Leute gegenseitig blockieren und diffarmieren und gar nicht mehr miteinander reden.

Versteht sich von selbst, dass man auch diesem Weg schwerlich zu einem befriedigenden Ergebnissen kommen kann.

Also:

Integration statt Separation.

Integration war und ist und bleibt das Geheimnis guten Gelingens.

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