Ich, #Babyboomer (#WirSindViele)

Ich bin Jahrgang 1967 und gehöre damit – ob’s mir nun passt oder nicht – zur Generation der Babyboomer. Berühmter ist die 68er-Generation, die aber nicht wegen des Geburtsjahres so heißt, sondern wegen ihres politischen Engagements zu jener Zeit. Was heißt es, ein Babyboomer zu sein? Haben wir eine gemeinsame Identität? Und wenn ja, welche? Tragen wir schuld daran, dass die Welt so ist, wie sie gerade ist? Was können wir tun?

Dieser Gedanke, auf welchen gemeinsamen Nenner man meine Generation bringen könnte, beschäftigt mich schon länger. Und ich tue es mir schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden, wenn ich meine ganz persönliche Lebensgeschichte im Kontext des Weltgeschehens betrachte.

Es gibt natürlich zahlreiche Ereignisse, die meine Generation teilt und dadurch gewissermaßen geprägt hat.

Wir sind in eine Epoche hineingeboren, in der sich ein großer gesellschaftlicher Wandel vollzog, der die bis dahin vorherrschende Gesellschaft auf den Kopf stellte: Die Kriegsgeneration war mit dem Aufbau zweier neuer Deutschlands beschäftigt, im Westen unter der kapitalistischen Obhut der Westmächte (USA, Großbritannien, Frankreich), im Osten unter der „kommunistischen“ Diktatur der Sowjetunion.

Die Welt war rigoros zerteilt zwischen Ost und West, zwei Systemen, die sich bis auf’s Blut gegenseitig hassten und verachteten und bekämpften. Mit allen Mitteln.

Die Deutsche Schuld des Holocaust und Hitler-Deutschlands lastete zentnerschwer auf unseren Schultern.

Gleichzeitig erlebte die BRD einen sagenhaften Aufschwung und stieg wieder zu einer Top-Wirtschaftsmacht der Welt auf. Auf politischer Bühne aufgrund der jüngsten Vorgeschichte zu absoluter Demut verdammt, fügte sich die BRD in multilaterale Organisationen wie die UN, NATO und die EU ein und überließ die Weltpolitik lieber den großen Playern USA, Russland (SU) Frankreich und Großbritannien.

Gleichzeitig nahm eine von der aufwachsenden Nachkriegsgeneration geführte gesellschaftliche Debatte Fahrt auf, welche sich die Kriegsgeneration und ihre Mitschuld am Hitler-Desaster vornahm. Die Jugend, die Studentengeneration ging mit den eigenen Eltern und Großeltern hart ins Gericht und begann eine überwiegend am Marxismus-Leninismus orientierte Revolte gegen das von Nazi-Mittätern unterwanderte herrschende Machtsystem.

Es sind also viele Dinge, die da zusammenkommen, wenn ich an mein Geburtsjahr denke: Studentenrevolte, Alt-Nazis, Hippie-Bewegung, Beatles etc.

An meinen Eltern ging das offenbar ziemlich spurlos vorbei, obwohl sie in der Großstadt Köln lebten. Köln war zu jener Zeit noch eine sehr katholisch geprägte Metropole und meine Eltern pflegten einen ebensolchen, konservativen Lebensstil.

Für die meisten dürfte dieser damalige Studentenaufstand in den USA, Frankreich und Berlin zunächst weit weg gewesen sein. Man kannte es aus dem Radio oder Fernsehen oder der Zeitung, doch nicht aus dem unmittelbaren Umfeld.

Die Generation meiner Eltern hatte vor allem materielle Ziele, schließlich waren sie in einer Zeit aufgewachsen, wo alles dem Erdboden gleich gemacht worden war und es vorrangig um Wiederaufbau ging, die Sicherung der existenziellen Lebensgrundlage. Dementsprechend erlebten sie eine lange Phase stetig steigenden Wohlstands.

Der drückte sich einem ebensolchen Babyboom aus!

Soziologen und Psychologen haben schon begonnen sich damit zu beschäftigen, was es bedeutet, ein Babyboomer zu sein.

Das ist zu allererst eine unmittelbare Erfahrung der Masse und der Konkurrenz, die ich zwar noch nicht in der Schulzeit spürte, aber umso extremer in der Studienzeit.

Ich begann im Sommersemester 1988 an der nächstgelegenen Universität in Köln zu studieren, die damals schon zu den größten Deutschlands gehörte. Das war ein riesiger Betrieb, der einem schon allein anhand der Größe und Massenansammlung von Menschen Furcht und Respekt einjagen konnte. Sich in einem solch riesigen Betrieb zu orientieren und den richtigen Weg einzuschlagen, um das Studium erfolgreich zum Abschluss zu bringen, war schon eine enorme Leistung. Nicht alle waren dem gewachsen und gaben vorzeitig auf.

Die Unis waren zusätzlich noch von sogenannten „ewigen Studenten“ bevölkert, Alt-68er, welche die Vorteile des Studentenlebens so für sich zu nutzen wussten, dass sie es gewissermaßen zu ihrem Beruf machten. Vor allem geisteswissenschaftliche Fächer waren sehr beliebt, wenngleich sie beruflich wenig Perspektiven eröffneten. Die meisten wollten wohl „was mit Medien“ machen, ich auch. Die Medienbranche war zu der Zeit in ihren besten Jahren und man konnte dort gut Geld verdienen. Ich schaffte es schon, während des Studiums finanziell unabhängig zu werden. Weil ich die entsprechende Initiative ergriff. Manche träumten nur vor sich hin und blieben daher anschließend auf der Strecke. Andere hatten den Zeitgeist verstanden und studierten gleich „etwas Sinnvolles“, mit dem man möglichst viel Geld verdienen konnte: BWL, Jura, Medizin.

Prägende Erlebnisse meiner Generation sind der Ost-West-Konflikt, die akut empfundene Gefahr eines Atomkrieges oder eines implodierenden Atomkraftwerks (Tschernobyl), aber auch schon das Damoklesschwert späterer Arbeitslosigkeit angesichts der großen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und der zunehmenden Technologisierung des Arbeitslebens. Dann der Fall der Mauer, der Mobilfunk, der Computer, das Internet…

Die Welt begann, sich immer schneller zu drehen und es wurde immer schwieriger, da noch Schritt zu halten. Globalisierung! Rationalisierung! Heuschrecken! Finanzkrise! Nine-Eleven!!

Ich glaube, es hat in der gesamten Menschheitsgeschichte keine Generation gegeben, die in so kurzer Zeit so umwälzende Veränderungen erfahren und erlebt hat wie wir Babyboomer.

Daher kommt wohl auch unsere Indifferenz.

Von allen ideologischen Illusionen befreit, haben wir uns auf Sicht fahrend durch’s Leben laviert und versucht, irgendwie Halt zu finden.

Doch wo soll dieser Halt sein? Die Kirche hat sich erledigt. Der Staat hat sich erledigt. Die neo-liberale, globalisierte, vom Finanzsystem dominierte Wirtschaftsideologie hat sich erledigt.

Wir glauben niemandem mehr. Manchmal nicht einmal mehr uns selbst!

„No Future“-Generation nannte man uns, als wir gerade Abitur machten. Das sollte unsere eigene pessimistische Weltsicht beschreiben, vor allem angesichts der nuklearen Gefahren. (Da muss ich mich korrigieren: Als No-Future-Generation bezeichnete man die Kinder/Jugend zu Beginn der 80er. Eine Umfrage in meinem Abi-Jahrgang, die in unserer Abi-Zeitung 1986 erschien, belegt, dass unsere Generation bereits weit optimistischer in die Zukunft schaute. Ist am Ende aber eh nur ein Wahrnehmungsproblem, eine Frage der Perspektive, die nichts über die tatsächliche Situation aussagt.)

In meiner Generation ist am Ende jeder ein Einzelkämpfer geworden, der nicht auf die Unterstützung anderer hoffen kann (höchstens okkasionell) und selber zusehen muss, wo er bleibt. Allein der Blick auf die zu erwartenden Rentenbezüge wirkt wenig motivierend.

In all diesen Dingen und Entwicklungen überhaupt noch den Überblick zu bewahren, ist schon fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Daher ist es mit unserem gesellschaftlichen Engagement auch nicht so weit her. Wir sind schon genug damit beschäftigt, unser eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen und zu organisieren.

Meine Mutter genießt einen entspannten Lebensabend mit ihrer sicheren Rente. Ich werde mich dagegen wohl bis ins Grab mit irgendwelchen Zusatzeinkünften über Wasser halten müssen (wenn wir nicht eine Lösung für dieses Problem finden!).

Trotzdem haben wir keinen Grund, Trübsal zu blasen und alles Grau in Grau zu sehen.

Wir haben es ja immerhin bis hierhin geschafft! (Andere leider nicht…)

Und wir haben eine letztlich doch unerwartet lange Zeit unseres Lebens in Frieden und Freiheit und Wohlstand leben können! Viele von uns haben einen großen Wohlstand von den Eltern geerbt oder dürfen ihn erwarten (ich leider nicht…).

Und auch wenn wir die Klimakatastrophe noch nicht verhindert haben und durch unseren individualistischen „Genieße das Leben“-Stil wohl noch zusätzlich befeuert haben, hat unsere Generation bereits ein starkes Umweltbewusstsein entwickelt. Wir kennen die Zusammenhänge und wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Dass wir in unserem eigenen Alltag noch viel radikaler werden müssen, um unseren eigenen Beitrag zur Verbesserung der Umweltbilanz zu leisten!

Es gibt also noch so viel zu tun!

Es ist noch nicht zu Ende.

Packen wir’s also an! Gemeinsam mit der nachfolgenden Generation!

For a better Future!

Denn: #WirSindViele !!

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