Gott, Götter, Brasilien

Ich bin hier in Brasilien so relaxed wie noch nie in meinem Leben, abgesehen von meinen Kindheitstagen in Spanien. Der Ort, an dem ich lebe, hat mich sofort elektrisiert und gefangen genommen mit seinen extrem positiven Energien.

Natürlich ist nicht alles perfekt. Aber alles in allem gibt es wirklich nicht den geringsten Grund, sich zu beklagen. Die Nachbarn sind nett und hilfsbereit und entspannt, das Leben plätschert so vor sich hin, so ruhig und entspannt wie das Meer. Wir sind umfangen von einer überreichen, üppigen und wundervollen Natur, die uns jeden Tag das Herz vor Freude Luftsprünge machen lässt. Einfach wunderbar.

Es ist somit auch in keinster Weise Zufall, dass man in unserer kleinen Ortschaft und den umliegenden Orten diverse spirituelle Zentren der verschiedensten Couleur findet, von freikirchlich über katholisch über afrikanisch und hinduistisch bis buddhistisch und was es sonst noch alles gibt. Es ist bemerkenswert. Augenfällig. Unübersehbar.

Aber das alles geschieht in einem stillen und unaufgeregten Ambiente, ohne die anderen zu sehr damit zu belästigen. (Die Evangelikalen sind noch die Lautesten und manchmal Nervigsten, aber sie stemmen durchaus auch sehr wundersame und bewegende Events…).

Religiöse Toleranz ist im realen brasilianischen Leben eigentlich eine gelebte Selbstverständlichkeit, die gegenseitige Neugier ist bei den aufgeschlossenen Brasilianern generell vorhanden. Insofern ist es auch völlig rückwärtsgewandt und an der Wirklichkeit vorbei wie die Propaganda des rechts-konservativen Bolsonaro sich geriert. Andererseits: die Fraktion der fundamentalistischen Evangelikalen ist tatsächlich sehr groß und mächtig in Brasilien, die kann man nicht einfach so ignorieren. Die Evangelikalen sind ja noch päpstlicher als der katholische Papst!! Völlig übertrieben, völlig von der Rolle. Krank.

Aber deswegen sind nicht alle Brasilianer, die solche Gottesdienste besuchen, radikale Fundamentalisten. Es gibt in den Gemeinden alle möglichen Schattierungen von Gläubigen. Mancher mag einfach lieber in großer Gemeinschaft zum selben Gott beten als allein.

(Ich persönlich meide Kirchen und brauche keine Mittler mehr, um mit Gott persönlich in Kontakt zu treten, abgesehen von Musik.)

Aber wer ist schon Gott!

Wir wissen es nicht.

In Deutschland, vor allem Berlin und Ex-DDR, darf man das Wort ja kaum in den Mund nehmen, ohne gleich einen auf den Deckel zu bekommen. Wer an Gott glaubt, muss ja irgendwie gestört sein und zurückgeblieben. Wie kann man nur!!

In Brasilien ist das noch anders. Ganz anders. Nahezu alle glauben fest an Gott, bekennen sich zu ihm, huldigen ihm. Ohne jeden Zweifel.

Für mich persönlich ist es auch schon seit meiner Kindheit klar, dass es Gott gibt. In meinem Leben gibt es ihn einfach. Er ist da. Ganz nah.

Es macht es aber einfacher und erfreulicher, sich in einem Umfeld von Gleichgesinnten zu befinden und jeden Tag und immer wieder auf’s Neue bestätigt zu bekommen. Weil seine Präsenz so offensichtlich ist.

Gott drückt sich für uns vor allem in dieser voller Wunder und Schönheit steckenden Natur aus, die so unfassbar vielfältig, reich und fruchtbar ist und uns überschüttet mit ihrer Großzügigkeit!

Es ist praktisch wie im Schlaraffenland. Das Essen wächst dir von ganz allein fast in den Mund. Es ist soviel, dass man kaum mit dem Verzehr nachkommt. Es bleibt in jedem Fall etwas übrig, um es zu verschenken, zu verarbeiten oder zu verkaufen. Und das im Grunde das ganze Jahr über, auch wenn es hier durchaus so etwas wie jahreszeitliche Unterschiede gibt.

Gerade ist zum Beispiel die Zeit, wo meine zahlreichen Obstbäume so viele Früchte tragen, dass es für unzählige Säfte und Caipirinhas reicht…

Und das wird ungefähr bis August/September so bleiben.

Wenn ich jetzt noch Hühner halte, bekomme ich meine eigenen Eier und kann gelegentlich ein Huhn servieren. Galinha Caipira, sagt man in Brasilien. Bio-Huhn. Hühner sind eh sehr nützlich, weil sie Kakerlaken und dergleichen Kriechtiere verzehren. Auch gegenüber Schlangen sollen sie sehr wehrhaft und geschickt sein.

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis ich Hühner halte.

Vielleicht auch noch ein Schaf, ein Schwein, eine Kuh, ein Pferd? Hunde habe ich schon. Und die schneeweiße Nachbarskatze schaut auch gelegentlich vorbei.

Affen wären nett. Habe aber noch keine gesehen, obwohl es sie hier gibt. Aber sie sind lieber dicht am und im Wald. Meine Nachbarin auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat ihr Grundstück direkt am Waldrand, da schauen die Affenfamilien regelmäßig vorbei.

Es ist alles sehr friedlich und beschaulich.

Alles geht seinen gemächlichen Gang. Was getan werden muss, wird getan. Was nicht getan werden muss, wird auf später oder den Sankt Nimmerleinstag verschoben…

Wir sind mit Gott und der Welt im Reinen und so kann es jetzt endlos weitergehen.

Ich denke, selbst wenn die Welt in absehbarer Zeit untergehen sollte, wären wir hier auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Ein Secret Escape. Ein Safe Place.

Das beruhigt ungemein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.