Dilma verurteilt USA vor der UN-Vollversammlung wegen NSA-Skandals

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat vor der UN-Vollversammlung kein Blatt vor den Mund genommen und die USA in deutlichen Worten wegen ihres Spionageprogramms kritisiert. „Sich in dieser Art und Weise in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen ist ein Bruch internationalen Rechts und ist ein Affront gegen die Prinzipien, welche die Beziehungen zwischen ihnen leiten sollten, insbesondere zwischen befreundeten Nationen“.

Die Kritik an den Spionagetätigkeiten der USA machte Präsidentin Dilma zum Schwerpunkt ihrer Rede. Erst kürzlich hatte sie aus Verärgerung darüber ihren lange geplanten Staatsbesuch in die USA abgesagt, wie an anderer Stelle berichtet. Die Passage vor der UN-Vollversammlung ist es wert, im Wortlaut übersetzt zu werden:

Herr Präsident,

ich würde den Delegationen gerne eine Angelegenheit von großer Bedeutung und Schwere zur Erwägung bringen. Jüngste Enthüllungen über die Aktivitäten eines globalen Netzwerkes von elektronischer Spionage haben in der öffentlichen Meinung weltweit für Entrüstung und Ablehnung gesorgt.

In Brasilien war die Situation sogar noch ernster, als herauskam, dass wir ein Ziel dieses Eindringens waren. Persönliche Daten wurden diskriminierungsfrei abgefangen. Unternehmensinformationen – häufig von hoher ökonomischer und gar strategischer Bedeutung – befanden sich im Zentrum der Spionagetätitgkeit. Auch die Kommunikation brasilianischer Botschaftsmissionen wie der ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen und des Büros des Präsidenten der Republik wurden abgehört.

Sich in dieser Art und Weise in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen ist ein Bruch internationalen Rechts und ein Affront gegen die Prinzipien, welche die Beziehungen zwischen ihnen leiten sollten, insbesondere zwischen befreundeten Nationen. Eine souveräne Nation darf sich niemals zum Schaden einer anderen aufstellen. Das Recht auf Sicherheit der Bürger eines Landes darf niemals garantiert werden indem man die fundamentalen Menschenrechte der Bürger eines anderen Landes verletzt.

Das Argument, dass das illegale Abfangen von Informationen und Daten dazu dient, die Nationen vor Terrorismus zu bewahren, ist nicht aufrechtzuerhalten.

Brasilien weiß sich zu schützen. Wir lehnen terroristische Gruppen ab, bekämpfen sie und geben ihnen keinen Unterschlupf. Wir sind ein demokratisches Land, umgeben von demokratischen und friedvollen Staaten, die das Internationale Recht achten. Wir leben seit über 140 Jahren im Frieden mit unseren Nachbarn.

Wie viele andere Lateinamerikaner habe ich gegen Totalitarismus und Zensur gekämft, und ich kann nicht anders als in unmissverständlicher Weise das Recht auf individuelle Privatheit und staatliche Souveränität zu verteidigen.

Ohne Recht auf Privatheit gibt es keine wirkliche Meinungsfreiheit und damit keine effektive Demokratie. Ohne Respekt für die Souveränität gibt es keine Basis für die Beziehungen zwischen den Nationen.

Herr Präsident, wir sehen uns mit einer groben Verletzung der Menschenrechte und ziviler Freiheiten konfrontiert, mit dem Eindringen und der Erfassung vertraulicher Unternehmensinformationen und insbesondere der Missachtung nationaler Souveränität.

Wir haben gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten unsere Missbilligung ausgedrückt und haben Erklärungen und Entschuldigungen eingefordert sowie Garantien, dass sich solche Prozeduren niemals wiederholen.

Befreundete Regierungen und Gesellschaften, die wie wir danach trachten, eine wahre strategische Partnerschaft aufzubauen, können keine sich wiederholenden illegalen Aktionen geschehen lassen als wären sie normal. Sie sind inakzeptabel.

Brasilien wird seine Anstrengungen verdoppeln um Gesetze, Technologien und Mechanismen anzuwenden, die uns vor dem illegalen Abfangen von Kommunikationen und Daten schützen. Meine Regierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Menschenrechte aller seiner Bürger zu verteidigen und die Früchte des Einfallsreichtums seiner Arbeiter und Unternehmen zu schützen.

Das Problem geht aber über die bilateralen Beziehungen hinaus. Es wirkt sich auf die internationale Gemeinschaft aus und verlangt eine Antwort von ihr. Information und Telekommunikation darf nicht das neue Schlachtfeld zwischen den Staaten sein. Die Zeit ist reif um Bedingungen zu schaffen, die den Cyberspace davor bewahren, als Kriegswaffe benutzt zu werden, mittels Spionage, Sabotage und Attacken auf die Systeme und Infrastruktur anderer Länder.

Die Vereinten Nationen müssen eine tragende Rolle spielen bei den Bemühungen um Verhaltensregeln zwischen den Staaten in Bezug auf diese Technologien.

Aus diesem Grund wird Brasilien Vorschläge unterbreiten für einen zivilen, multilateralen Rahmen für die verantwortungsvolle Führung und Benutzung des Internets und den wirksamen Schutz der Daten, die im Netz reisen. Wir müssen für das weltweite Netzwerk multilaterale Mechanismen entwicklen, die geeeignet sind, folgende Prinzipien sicherzustellen:
Die Freiheit des Wortes, der Privatheit und der Respekt für die Menschenrechte.

Offene, multilaterale und demokratische Führung, durchgeführt mit Transparenz, indem kollektive Kreativität und die Teilnahme der Gesellschaft, Regierungen und des privaten Sektors stimuliert werden.

Universalität, welche die soziale und humane Entwickung zusichert sowie die Errichtung inklusiver und diskriminierungsfreier Gesellschaften.

Kulturelle Vielfalt, ungeachtet der Religion, Sitten und Werte.

Neutralität des Netzes, die allein von technischen und ethischen Kriterien geleitet wird, unzugänglich für politische, kommerzielle, religiöse oder andere Einschränkungen.

Um das volle Potential des Internet auszuschöpfen, ist also eine verantwortungsvolle Regulierung notwendig, welche gleichzeitig die Freiheit des Wortes, die Sicherheit und den Respekt der Menschenrechte garantiert.

Soweit der Auszug von Dilmas Rede in Bezug auf den NSA-Skandal (übersetzt auf Grundlage des englischen Redeskripts auf der Seite der UNO). Die komplette Rede als Video auf Portugiesisch gibt es ebenfalls auf der Seite der UN.

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