Dieser Weg – Lula, Brasilien, Bolsonaro

…wird kein leichter sein. Dieser Weg wird steinig und schwer…ein Song von meinem hoch verehrten südafrikanisch-indisch-irisch-deutschem Musiker Xavier Naidoo. Ein Song, der bei der WM 2006 in Deutschland Furore machte und zum Soundtrack der Mannschaft in der Kabine und auf dem Weg ins Stadion gehörte.

Teamchef war Jürgen Klinsmann, der vor allem als Motivator eine unglaubliche Energie hervorzaubern konnte. An seiner Seite stand Jogi Löw, der penible Stratege und Techniker und Nachfolger. Zum Titel im eigenen Land sollte es 2006 zwar nicht reichen, aber Die Mannschaft hatte in der Welt des Fußballs eine klare Duftmarke hinterlassen und das ganze Land in ein freudentaumelndes Sommermärchen versetzt. Es ist in Zahlen gar nicht auszudrücken, wie Deutschland als Ganzes von diesem Märchen profitiert hat – bis heute. Es fand ein kompletter Imagewandel statt. Vom Nachkriegsdeutschland mit der abgrundtiefen Bürde des Holocaust und Hitlers auf dem Buckel zu einem modernen, weltoffenen, gastfreundlichen und verantwortungsbewussten Vorbild.

In Brasilien – und nicht nur dort – genießt Deutschland vor allem seit dem 7:1-Desaster bei der WM 2014 in Brasilien einen ausgezeichneten Ruf. Die Schmach im Mineirão-Stadion von Belo Horizonte hat auch den letzten Brasilianer in der tiefsten Pampa gelehrt, dass Brasilien noch einen sehr weiten Weg vor sich hat.

Dieser Nach-WM-Blues hat eine für Brasilianer ungewöhnliche depressive Grundstimmung erzeugt: Angesichts des ganzen Korruptionssumpfes, in dem das Land dank seiner habgierigen Politiker steckt, haben viele jede Hoffnung und Zuversicht verloren, dass es jemals mit dem Land wieder aufwärts gehen könnte.

Einige realitätsferne Träumer hängen ihre Hoffnung an den ehemaligen Präsidenten Lula von der Arbeiterpartei, unter dessen Regierung (2003-2011) Brasilien einen ungeheuren Aufschwung erlebte und internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung fand. Es ist vor allem ihm zu verdanken, dass Brasilien die WM 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 ins Land holen konnte. Brasilien war plötzlich der Grüne Riese, der erwacht ist und sich aufmachte, die Welt in seinen Bann zu ziehen.

Das Dumme ist nur, dass Lula rechtskräftig wegen Korruption verurteilt ist und im Gefängnis sitzt. Er und seine Anwälte werden nicht müde zu beteuern, dass er natürlich völlig unschuldig ist. Es war in der Tat ein kniffliger Vorgang, mit dem die Bundespolizei und Staatsanwaltschaft ihn am Kragen packten, Lula soll beim Bau eines Apartments Vorteile in Anspruch genommen haben. Im riesigen Lava Jato-Skandal, bei dem Politiker aller Parteien millionenschwere Bestechungsgelder kofferweise nach Hause trugen, war Lula nichts nachzuweisen. Es ist aber schlechterdings unvorstellbar, dass ein Präsident und Parteichef von der Statur eines Lula davon nichts gewusst haben will. Das erinnert an Helmut Kohls Verhalten in der Parteispendenaffäre. Mauern bis zum Schluß, so wie ein Mafiapate es eben auch macht. Was kümmern mich Recht und Gesetz! Das Gesetz bin ich! Ich bestimme hier, was richtig und falsch ist!

Lula hat in der ganzen Affäre, die das Land bis in die Knochen durchgeschüttelt hat und immer noch schüttelt, nie irgendetwas zur Aufklärung beigetragen, er hat auch in keinster Weise auch nur ansatzweise irgendwelche Fehler eingestanden. Er ist halsstarrig und so von seiner eigenen Bedeutung trunken, dass er Himmel und Hölle und Heerscharen von Anwälten in Bewegung setzt, um seine Absolution zu erhalten.
Von Reue keine Spur. Meinetwegen soll er daher also weiter hinter Gittern bleiben und weiter über sich selbst nachdenken. Er hat es ja durchaus komfortabel dort, empfängt ständig Besuch. Sein Antritt der Haft war ja auch ein Event sondergleichen, live im TV übertragen mit Riesen-Eskorte und Hubschrauberbildern und allem drum und dran.
Lula hat sich in seiner Zeit als Präsident große Verdienste erworben, keine Frage. Aber er hat wie viele andere bis heute nicht begriffen, dass sein Zenit überschritten ist und dass es mit Lula auch keine bessere Zukunft geben wird. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Vorbei ist vorbei.

Frischer Wind müsste her, jemand wie ein Macron: jung, vital, voller Tatendrang, positiv nach vorne schauend. Intelligent.
Statt dessen führt ein lächerlicher, große Sprüche klopfender Trump-Verschnitt namens Bolsonaro nach Lula die Umfragen an. Schon bei dem Namen denkt man an „Millionario“ und eine große Geldbörse, in die alle öffentlichen und privaten Gelder fließen sollen. Bolsonaro hat wie Trump nicht die geringste Scham, den absonderlichsten Blödsinn von sich zu geben. Von nichts ’ne Ahnung. Aber für alles immer die denkbar einfachsten Lösungen parat. Nur leider entpuppen sich diese Lösungen als ungeeignet, weil die Dinge eben doch etwas komplizierter sind.
Dummerweise sind die meisten Menschen überall auf der Welt auch ziemlich einfach gestrickt und glauben alles, was man ihnen auftischt. Vor allem, wenn es so einfach ist, dass jeder es versteht. Brasilianer sind sehr affektgesteuert und denken nicht allzu viel über die Dinge nach, sind aber extrem kommunikativ. Jeder Blödsinn verbreitet sich in Windeseile.

Umgekehrt geht’s aber auch: wenn das ganze Volk plötzlich von einer Bewegung ergriffen wird, kann es wie bei den Protesten zu Zeiten des Confed Cup schlagartig zu großen Umwälzungen kommen.

Das Problem ist nur: was und wer kommt danach? Wo ist die Lichtgestalt, die Brasilien aus seinem Sumpf ziehen kann?

Die ist nicht in Sicht. Also muss man eben kleinere Brötchen backen, sich mit weniger zufriedengeben. Hauptsache, die eingeschlagene Richtung ist schonmal richtig. Und die heißt unbedingt: mehr soziale Gerechtigkeit und sehr viel Nachhaltigkeit! Brasilien hat und wird immer riesiges Potenzial haben, weil das Land riesig und reich ist. Es muss nur besser regiert werden, verantwortungsbewusst, sozial, umweltfreundlich.
Brasilien ist nicht so schlecht, wie es viele Brasilianer selbst machen. Ja, vieles kann, muss man hier verbessern. Das ist anderswo aber nicht anders. Wir dürfen nie aufhören, an uns zu arbeiten und dürfen uns nicht auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen. Die Welt dreht sich weiter und wir müssen mithalten.

Aber die Welt dreht sich sehr langsam und gemütlich. Es gibt keinen Grund, uns abzuhetzen und Dingen hinterherzurennen, die uns am Ende nichts bringen.

Bescheidenheit ist eine Zier. Weniger Konsum, und der Planet wird es uns danken und uns ein Vielfaches zurückgeben. Ganz umsonst. Die Natur ist nämlich extrem produktiv und großzügig, wenn man sie lässt.

Entschleunigung ist das Gebot der Zukunft. Nachhaltigkeit. Einfach mal 10 Gänge runterschalten. Das würde allen mal guttun und zur allgemeinen Entspannung und zum Weltfrieden beitragen.

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