Die Eule in Athen


Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel war für einige Stunden auf Griechenland-Besuch. Ein solcher Besuch einer europäischen Regierungschefin in einem zur europäischen Gemeinschaft zählenden Land sollte normalerweise nichts Ungewöhnliches sein. Doch die Visite der Kanzlerin wurde schon im Vorfeld in den Medien als so heiß gehandelt, dass man sich schon fast Sorgen um ihr leibliches Wohl machen musste. Würde Merkel den Griechenland-Trip heil überstehen oder würde der griechische Mob sie am Ende gar lynchen?

Um gleich alle Besorgnis zu zerstreuen: Merkel hat es überlebt. Es gab zwar laut Medien einige zehntausend Demonstranten, es gab auch einige hässliche Entgleisungen wie Hakenkreuze, Hitlerbärtchen und SS-Uniformen. Aber das gehört international ja zur Demonstrationsfolklore, wenn man die „häßlichen Deutschen“ mal so richtig provozieren und seine Wut rauslassen will.

In Athen herrschte Sicherheitsstufe 1, als wäre Georg W. Bush auf Irak-Besuch. Merkel machte auch einen großen Bogen um die Menschenmenge, tauschte sich lieber im stillen Kämmerlein mit Griechenlands Premier Samaras aus und zeigte viel Verständnis für die Sparbemühungen der Griechen und die Opfer, die sie geben, um weiter zum Euro-Raum gehören zu dürfen.

Das ist ja nach wie vor Merkels erklärter Wunsch: Den Griechen den Euro zu lassen. Genauso wie es ihr Wille ist, den Euro zu retten, koste es, was es wolle. Denn: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“.

Koste es, was es wolle – dem hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt eine klare Abfuhr erteilt und Deutschlands Haftungsgrenze gedeckelt.

Und scheitert Europa, nur weil ein Währungsexperiment misslungen ist, an dem ohnehin nicht alle EU-Staaten teilnehmen und das an schwerwiegenden Geburtsfehlern leidet?

Nein.

Es gab ja schon ein Europa vor dem Euro. Viele noch lebende Zeitzeugen haben es persönlich erlebt. Und? Ging es uns (West-Deutschen) damals schlechter? Nö. In der Erinnerung sogar sicher besser.

Es ist Mumpitz, den Erhalt einer Währung zu einer allgemeinen Schicksalsfrage hochzustilisieren (genauso wie es Mumpitz ist, die D-Mark wie ein goldenes Kalb zu verehren).

Die Stabilität einer Währung ist wichtig, auch für den sozialen Frieden. Keine Frage.

Aber wie stabil ist der Euro denn in Wirklichkeit?

Im Verhältnis zur deutschen und Euroländer-Inflationsrate bleibt die Stabilität im Rahmen. In Bezug auf andere Leitwährungen wie den US-Dollar ist der Euro auch relativ stark. Aber das ist in etwa so, als würde man einen Einäugigen mit einem Blinden vergleichen.

In Bezug auf die bestehenden Staatsschulden und künftigen Schulden-Risiken ist der Euro dagegen mit enormen Lasten behaftet.

In Bezug auf den sozialen Frieden und das Wohlstandsversprechen in Europa stellt er längst selbst ein Risiko dar.

Die „Euro“-Rettung ist ein brutaler Mechanismus, mit dem ganze Volkswirtschaften aufgrund des Spardiktats und Reformzwangs stranguliert werden, hunderttausende Menschen in die nackte Existenzangst geschickt werden, nur um letztlich ein Finanzsystem zu retten, das nicht mehr zu retten ist, weil niemand diese horrende Rechnung je wird zahlen können.

Nur eine galoppierende Inflation könnte einen solchen Schuldenberg zügig abbauen helfen. Doch damit würden erneut Millionen Menschen um den Lohn ihrer Arbeit gebracht.

Die Politik sitzt auf einem Fass ohne Boden, tut aber so, als habe sie die Lage im Griff.

Merkel setzt ihre eulenhaft regungslose Mimik auf und spult ihre mit verklemmter Leidenschaft vorgetragenen Standard-Überzeugungen ab.

Für viele Griechen ist die Eiserne Lady aus Deutschland der Buhmann schlechthin, womit man ihr sicher Unrecht tut, weil man damit ihren Einfluss maßlos überschätzt.

Dass sie als Buhmann wahrgenommen wird, das hat sich Merkel aber selbst zuzuschreiben. Schließlich tritt sie in der EU als strenge Oberlehrerin auf, welche die Nachbarn in typisch deutscher Manier zu äußerster Sparsamkeit auffordert. Das tut sie, um vor allem den besorgten deutschen Wähler zu beruhigen.

Sparsamkeit ist grundsätzlich ja auch richtig, wenn jemand über seine Verhältnisse gelebt hat. Aber erstens hat Deutschland da genug vor seiner eigenen Haustür zu kehren, zweitens hat man dem Treiben selbst viel zu lange untätig zugesehen, drittens muss man den Menschen auch noch Luft zum Atmen lassen und eine Perspektive bieten.

Und viertens muss man sich das Geld bei den Richtigen holen, nämlich denen, die welches haben und die uns die ganze Suppe eingebrockt haben.

Es ist unbegreiflich, dass vier Jahre nach der Lehman-Pleite Privat- und Investmentbanking immer noch nicht strikt voneinander getrennte Bereiche sind. So wird fröhlich mit dem Geld der Kunden weitergezockt. Geht die Wette schief, springt halt der Staat ein, um die in Schieflage geratenen Banken wieder einmal zu retten, weil sie ja so „systemisch“ sind.

Die Politik lässt sich von der Finanzwelt an der Nase herumführen und scheut davor zurück, klare und mutige Entscheidungen zu treffen.

Wo ist der Kanzlerkandidat, der hier klare Kante zeigt, die Banken und die Profitsüchtigen in die Schranken weist und eingesteht, dass der Euro eine nette Idee war, die v.a. politisch gewollt war, doch ökonomisch gescheitert ist?

Nirgends.

Die Eule in Athen

Euro-Land am Scheideweg

3 Gedanken zu „Die Eule in Athen“

  1. Die Deutsche Welle schreibt über den IWF, der in der europäischen Schuldenkrise die größte Gefahr für die globale Finanzstabilität sieht. Wohl war. Aber hier spricht die Stimme eben dieser Finanzwelt, welche die Politik zwingen oder ermuntern will, die Banken vor noch mehr Abschreibungen zu retten. Der Chef der Kapitalmarktabteilung des IWF, Viñales, malt das Gespenst der Kreditklemme an die Wand, um die Staaten zu noch mehr Garantien und Eingriffen zu bewegen. Es wird aber Zeit, dass endlich die Banken, die sich verzockt haben und weiterhin zocken, vom Markt verschwinden und ihre Gläubiger die Quittung für ihre Geschäfte bekommen.

    Siehe: http://www.dw.de („Euro-Krise gefährdet weltweite Finanzstabilität“)
    (Link zum Artikel selbst funktioniert nicht)

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