Die Deutschen und ihr Mainstream

Ich bin 53 Jahre alt und habe die meiste Zeit meines Lebens gemäß Stammbaum als denkbar deutschester Deutscher aller Deutschen in Deutschland gelebt. Meine Herkunft, Begabungen und die Umstände  brachten es mit sich, dass ich Land und Leute aus nahezu allen gesellschaftsrelevanten Perspektiven erleben und kennenlernen durfte, von der Bildung und Kultur und Gastronomie und Landschaft und Geschichte über das Gesundheitssystem, die Wirtschaft, die Medienbranche bis hinein in Lokal-, Landes- und Bundespolitik. Schon immer habe ich dieses gesamtgesellschaftliche Potpourri als sehr anstrengend empfunden. Und mit dem Abstand, den ich nach inzwischen über zweieinhalb Jahren ununterbrochen in Brasilien Lebender habe, umso mehr.

Alles das, was mich schon als in Deutschland lebender Deutscher an Deutschland gestört hat, hat aus der Ferne betrachtet noch an Gewicht gewonnen und ist noch überdeutlicher zutage getreten. Die ganze Art, wie das Land, seine Regierungen, seine Bevölkerung, die Medien mit der Corona-Krise umgegangen sind und immer noch umgeht, ist sehr bezeichnend und symptomatisch.

Ich verfolge das alles online via klassische wie neue Medien, insbesondere über Twitter. Aber darüber hinaus habe ich natürlich nach wie vor meine engen persönlichen Bindungen und Kontakte zu einzelnen Menschen, die ich seit Jahren und Jahrzehnten sehr gut kenne.

Twitter ist über die Jahre zu meiner präferierten Plattform geworden, um mir ein differenzierteres Bild der Gesamtlage zu machen. Denn hier finde ich neben den üblichen, öffentlichen Quellen auch viele Entscheidungsträger sowie einzelne Menschen, die ihre jeweiligen Einblicke einbringen und Experten auf ihrem Gebiet sind. Man bekommt – auch wenn man Twitter sicher nicht 1:1 mit der „Wirklichkeit“ gleichsetzen darf – ein breiteres Meinungsbild, als wenn man sich nur über die gängigen Massen-Medien informieren würde.

Old School Medien

Je mehr man Twitter (und eventuell noch andere Soziale Medien) nutzt, desto offensichtlicher wird jedem/r, wie manipuliert und antiquiert die traditionellen Medien geworden sind (oder immer schon waren) mit ihrem Alleinvertretungs- und Allwissenheitsanspruch und dieser Attitüde: „Wir erklären euch jetzt mal die Welt! Und die ist genau so, wie wir es sagen!“

Diese Attitüde ist den langgedienten Journalisten so sehr zur Natur geworden, dass sie gar nicht mehr merken, wie limitiert ihre Weltsicht und Selbstwahrnehmung ist.

Sie nehmen für sich qua Berufsbezeichnung in Anspruch, kritisch zu sein und nichts als die Wahrheit zu berichten. Und wer SIE kritisiert, ist gleich eine ernstzunehmende Gefahr für die Pressefreiheit!! Journalisten sind per se gut und haben immer recht. Und wenn du nicht lieferst, was sie für ihre Story brauchen und wollen, dann ziehen sie dich durch den Kakao und betreiben koordiniert kollektiven Rufmord und vernichten deine ganze Existenz, so es ihnen beliebt!

Ja, auch diese Seite gibt es: Die Macht der Medien, die vor allem jenen Menschentypus anlockt, der groß und mächtig und einflussreich sein will und ganz nah an den Fleischtöpfen der Mächtigen und Reichen sitzen möchte. Überspitzt gesagt, sind es kleine Paladine, die sich umso wichtiger fühlen, je mehr Aufmerksamkeit ihnen von den Mächtigen geschenkt wird. Ein Tanz der Eitelkeiten. Die TV-Branche zog in den vergangenen Jahrzehnten die Eitlen und Selbstverliebten und Gernegroßen so magisch an wie das Licht die Motten, denn dort konnte man maximale Aufmerksamkeit erzielen und selbst als durchschnittlich Begabter maximal Geld verdienen!! Ich habe es selbst erlebt, ich war ja zwei Jahrzehnte Teil davon, habe die Goldenen wie die mageren Zeiten erlebt. Die Einzigen, die noch wie die Maden im Speck leben, sind die Öffentlich-Rechtlichen Sender, die sich um ihre finanzielle 1A-Ausstattung und Absicherung nicht sorgen müssen, während um sie herum um die Existenz gefürchtet wird!

Die Disruption durch die Digitalisierung

Das hat in der Branche aber noch nie jemanden angefochten. Dort findet seit Jahrzehnten ein Dinosauriersterben statt: Erst traf es die Schreibende Zunft bei den Zeitungs- und Buchverlagen, dann die Radio-Leute und inzwischen eben auch die TV-Macher. Alle sind sie Opfer ein- und desselben unerbittlichen Konkurrenten: Der Digitalisierung, des Internets!

Es hat die Information zu einem weitgehend kostenlosen, allseits erhältlichen Massengut werden lassen, das nicht mehr exklusiv einer Gruppe von Privilegierten vorbehalten bleibt, die als Gatekeeper nur das durchlassen, was sie für relevant halten. Zwar bekommen Journalisten hier und da Informationen noch immer einen Tick schneller als der normale Durchschnittsbürger und sie haben qua Funktion nach wie vor exklusiveren und selbstverständlicheren Zutritt zu den engeren Kreisen, dennoch ist ihr strategischer Vorteil auf ein Minimum geschrumpft, der den ganzen Aufwand zunehmend infrage stellt.

Das ist ein eklatanter und massiver Bedeutungsverlust, wie ich ihn schon oft in meinem Blog diagnostiziert und am persönlichen Leib erfahren habe.

Nun habe ich mir im Verlauf meiner TV-Laufbahn zwar immer weniger Illusionen über meine Bedeutung und meinen Einfluss gemacht, weil man selbst mit Millionen Zuschauern nur eine Stimme unter Vielen ist im vielstimmigen Konzert der Meinungsmacher.

Aber der Bruch wurde umso sichtbarer, als ich vor zehn Jahren betriebsbedingt aus dem Medienzirkus gespuckt wurde und mich trotz aller Erfahrung hinten in der Schlange einreihen durfte, um eventuell noch ein paar Gnaden-Brosamen aufsammeln zu dürfen. Es sei denn, ich hätte mich völlig verbiegen lassen und mich der PR für Politik oder Wirtschaft verschrieben, wie es einige Ex-Kollegen taten.

Die Medien- und Kommunikationsbranche hat sich wie nahezu alle anderen Lebensbereiche auch extrem kommerzialisiert. Auch hier setzen Kennzahlen wie Umsatz und Profit den Rahmen und haben das Nachrichtengeschäft zu einer Ware wie jede andere verkommen lassen.

Früher spiegelten die Medien in Deutschland nach meinem Empfinden eine größere Pluralität wider. Jedenfalls fühlte ich mich vielseitiger informiert, während ich heute nur noch einen zähen Mainstream regieren sehe, bei dem jede Abweichung gleich sanktioniert wird, mindestens mit einem Shitstorm und dem öffentlichen Pranger!

Da spiegeln die Medien aber exakt das wider, was die große Followerschaft in den Sozialen Netzwerken noch viel ungehemmter und rücksichtsloser zelebriert!!

Medien als Spiegel des Mainstreams

„Steiniget sie/ihn! Kreuziget ihn/sie!!“ , wird da hysterisch und täglich auf allen Kanälen skandiert!

Mainstream-Medien wie Mainstream-Leute haben die Welt klar in Schwarz und Weiß unterteilt. In Rechts oder Links, Gut oder Böse.

Und das wird dann bis ins kleinste Detail hinunterdekliniert. EIN falsches Wort in einem falschen Zusammenhang, und schon wirst du aussortiert und ausgelöscht.

Nun ist mir persönlich völlig egal, in welche Töpfchen und Schubladen mich fremde Leute stecken, zumal ich völlig frei und unabhängig bin und mir das selbst bei vermeintlichen Freunden und Familienmitgliedern ziemlich gleichgültig geworden ist.

Es ermüdet aber auch auf Dauer, wenn andere Leute sich als geistig und emotional so beschränkt erweisen, dass sie nicht zu Differenzierungen fähig sind, sondern alles in ihr einfaches, vorgefertigtes wie renovierungsbedürftiges Weltbild pressen.

Aber solange man in dieser Welt lebt, bleibt einem ja nicht viel anderes übrig, als diesen Umstand als gegeben hinzunehmen und sich irgendwie damit zu arrangieren.

Die geistig gestörte Gesellschaft

Gerade die Corona-Krise hat dabei mit aller Vehemenz und Eindrücklichkeit zutage treten lassen, wie gestört die öffentliche Debattenkultur und Meinungsbildung ist, besonders in den USA und Deutschland.

Die Denk- und Sprechverbote haben inzwischen ein Ausmaß angenommen, das für mich längst jegliche Erträglichkeitsstufe überschritten hat. Nicht umsonst bin ich aus Deutschland geflüchtet, weil mir diese ganze Atmosphäre im Land gehörig auf den Keks ging. Und auch wenn beileibe nicht alles gut ist in Brasilien, so erfreue ich mich schon allein daran, dass wir in meinem Ort einen gut nachbarlichen Umgang pflegen und ich an einem paradiesisch schönen Ort mit einem wundervollen Klima lebe. Alles andere kann mir im Grunde egal sein.

Ist es aber noch nicht. Auch wenn nicht mehr viel dazu fehlt, die Bücher zu schließen.

Denk ich an Deutschland in der Nacht, …

Deutschland befindet sich – offiziell wegen erneut stark steigender COVID-Infektionszahlen – seit einer Woche (2.11.) in einem zweiten Lockdown, offiziell Lockdown Light tituliert, weil diesmal Schulen und Geschäfte aufbleiben dürfen, „nur“ die Gastronomie muss erneut für zunächst vier Wochen schließen. Großveranstaltungen, Konzerte, Theateraufführungen, Kinovorführungen sind untersagt. Reisen und Treffen jeglicher Art sollen auf das allernotwendigste reduziert werden. Die Abstandsregeln und Maskenpflicht müssen eingehalten werden. So haben es die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten wenige Tage zuvor beschlossen und von der Kanzel verkündet.

Das sind Eingriffe in den Alltag und die Existenz der Bevölkerung, die dermaßen einschneidend sind, dass ich mich von Anfang an wunderte, wie folgsam die breite Bevölkerung sich diesem Diktat unterwarf und nur wenige es in Frage stellten.

Das hat sich inzwischen geändert!

Landauf, landab finden große Demonstrationen gegen diese nie dagewesene Willkürherrschaft statt. Erst gestern ausgerechnet in Leipzig, wo die ganze Stadt auf den Beinen gewesen zu sein scheint. Spätestens mit dem zweiten Lockdown sind nun viele Leute erwacht, die bis dahin den offiziellen Verlautbarungen und Mainstream-Medien vertrauten, wo Gegner weiterhin als Spinner, Verschwörungstheoretiker oder gewaltbereite Rechtsradikale verunglimpft werden.

Das, was „die Medien“ in diesen Corona-Zeiten abliefern, spottet jeder Beschreibung! Sie haben sich zum Komplizen der Mächtigen gemacht und ihre eigentliche Rolle als Vierte Gewalt des Staates völlig verlassen! Eine SCHANDE!! Pfui!!! Schämt euch!!

Die Hoffnung stirbt zuletzt…

Ein Blick zurück in die Menschheitsgeschichte lässt einen aber auch gelassener werden:

Der Drang der Menschen nach Freiheit und Selbstbestimmung war auf Dauer nie zu bändigen.

Das haben schon die Ereignisse rund um den 9. November 1989 bewiesen, der sich dieser Tage zum 31. Mal jährt (welch Zufall ;-). Auch das „Tausendjährige Reich“ erwies sich schließlich als Märchen aus 1001 Nacht.

Außerdem kommt immer das Falsche bei raus, wenn man das Falsche tut. Fehlentwicklungen münden daher zwangsläufig ins Desaster.

Deutschland – wie die Welt als ganzes, die dank der US-Wahlen jetzt noch hysterischer geworden ist – hat jetzt nur die Wahl, entweder aus dieser Negativspirale auszutreten und das Steuer herumzureißen, oder massenhaft in den ökonomischen und gesellschaftlichen Abgrund zu stürzen.

Es muss sich gesellschaftlich breiter und aktiver aufstellen, die etablierten Parteien und Propaganda-Journalisten entmachten und durch Leute ersetzen, die pragmatisch und lösungsorientiert und ergebnisoffen die Probleme des Landes angehen.

Das ist eine gewaltige Aufgabe. Aber wenn sie nicht jetzt angepackt wird, dann ist der Zug für längere Zeit abgefahren.

Die persönliche, bürgerliche Freiheit muss jetzt verteidigt werden, bevor sie völlig abgeschafft wird!

2 Gedanken zu „Die Deutschen und ihr Mainstream“

  1. Das mußte wirklich endlich mal geschrieben
    werden.
    Aber Arschkriecher und Opportunismus bekommst du niemals weg.
    Wie schon gut erkannt.. ES WIRD IMMER SCHLIMMER!!
    Mit der Corvid sache ist es schon furchterregend
    wieviele Menschen in den Ruin getrieben werden.. Das tut mir weh, wieviele Leute verzweifeln.
    Aber jetzt mehr oder wenige eine Apo. auszurufen, bringt aber eher auch nichts.. Birgt Gewalt… Und die führt bekanntlich zu.. weiß nicht.. Gegengewalt?!
    Trotzdem.. Glückwunsch zu gut geschriebenen ehrlichen Worten. D. Liss

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