Brasiliens Regierung ebnet Weg für weitere Leitzinssenkung

Die brasilianische Regierung hat einen historisch zu nennenden Schritt unternommen, um den Weg für weitere Leitzinssenkungen zu ebnen, um damit die Landeswährung Real weiter zu schwächen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Zu diesem Zweck legte Präsidentin Dilma Rousseff Hand an eine brasilianische Institution, die auf das Jahr 1861 zurückgeht: Das Sparbuch (poupança) mit einem Garantiezins von mindestens sechs Prozent.

Per präsidialem Dekret vom gestrigen Freitag an ist der Zinssatz für Sparguthaben nun an die Entwicklung des Leitzinses (Selic) gebunden. Den hat die brasilianische Zentralbank seit August 2011 bereits massiv gesenkt von damals 12,5 auf aktuell 9 Prozent.

Die hohen Leitzinsen machten es auch für ausländische Investoren sehr attraktiv, ihr Geld in Brasilien und brasilianische Staatsanleihen anzulegen, was zu einer Überbewertung der Landeswährung Real gegenüber anderen Währungen wie dem US-Dollar und dem Euro führte. Diese Überbewertung schadete der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Industrie, weil ihre Produkte für Ausländer immer teurer geworden sind.

Angesichts deutlich gesunkener Wachstumsraten und – aussichten (2010: 7,5%, 2011: 2,7%, 2012: 3,2% Regierungsprognose) musste Präsidentin Dilma handeln.

Ihr erklärtes Ziel ist es, in Sachen Zinsen auf international übliche Niveaus zu kommen.

Einer weiteren Leitzinssenkung durch die Zentralbank stand aber bisher die hohe Verzinsung einfacher Sparhuthaben entgegen. Würden die Leitzinsen weiter sinken, würde das Sparbuch als Geldanlage an Attraktivität gewinnen. Der Staat hätte Probleme bekommen, für seine Anleihen noch Käufer zu finden.

Die neue Regelung bindet den Sparzins nun an die Höhe des Leitzinses. Sinkt letzterer auf 8,5 Prozent oder darunter, muss der Sparzins 70% darunter liegen. Exame.com hat eine sehr anschauliche Grafik dazu veröffentlicht.

Sie zeigt, wie das Sparbuch in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen hat: Lagen im Dezember 2007 noch 235 Milliarden Reais auf brasilianischen Sparbüchern, waren es im März 2012 schon R$ 429 Milliarden.

Wie die Grafik ausserdem zeigt, befanden sich im Dezember 2011 auf mehr als der Hälfte der Sparbücher allerdings nur Summen von maximal 100 Reais. Nur drei Prozent der Sparbücher hatten Guthaben von über 80.000 Reais. Auf ihnen lagerten aber 60 Prozent des gesamten Sparguthabens.

Die hohe Verzinsung der Spareinlagen muss man allerdings relativieren in Bezug auf die nach wie vor hohen Inflationsraten in Brasilien, die bei über fünf Prozent liegen. Die erzielten Renditen werden also größtenteils von der Inflation aufgefressen.

Die brasilianische Regierung glaubt aber, die Inflation im Griff zu haben, so dass sie den Leitzins und in dessen Folge den Sparzins weiter sinken lassen kann.

Die Zinsschritte der vergangenen Monate haben jedenfalls schon gewirkt. Der Real hat seinen Höhenflug beendet und gegenüber den Leitwährungen US-Dollar und Euro deutlich an Wert verloren.

Nun will die Regierung auch an die Kreditzinsen ran und erhöht den Druck auf die Banken, die niedrigeren Leitzinsen mittels niedrigerer Kreditzinsen an deren Geschäfts- und Privatkunden weiterzugeben, wie beispielsweise estadão.com berichtet. Noch sind die Banken zögerlich. Doch die Regierung hat schon die Daumenschrauben bereitgelegt, um ihren Willen durchzusetzen. So soll es Kreditnehmern möglich gemacht werden, problemlos die Schulden zu einem anderen Kreditinstitut zu übertragen, welches günstigere Zinsen anbietet. Und schon wäre der Wettbewerb um die günstigsten Zinsen eröffnet…

Brasilien darf sich glücklich schätzen, eine Präsidentin zu haben, die über ökonomischen Sachverstand verfügt und ihn durchzusetzen weiß.

Allerdings dürfen die sinkenden Zinsen für die brasilianische Industrie kein Ruhekissen werden, auch mit der Qualität ihrer Produkte an ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten. Die sinkenden Zinsen bergen darüber hinaus die Gefahr, die ohnehin hohe Inflation noch anzuheizen. (Eine sehr gute Analyse dazu findet sich bei der Nachrichtenagentur Reuters.)

Es bleibt also spannend, die weitere wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens zu verfolgen.

Nachtrag: Wie Reuters unter Berufung auf die Folha de S. Paulo berichtet, strebt die Regierung bis zum Jahresende einen Leitzins von 7,5 bis 7,75 Prozentpunkten an, also deutlich unter dem jetzigen.

Enttäuschendes Wirtschaftswachstum in Brasilien

 

 

 

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