Brasilien gewinnt Confed Cup im eigenen Land

Mit einem klaren und souveränen 3:0-Sieg bezwang die Seleção den amtierenden Welt- und Europameister Spanien im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro. Brasiliens Nationalauswahl hat damit ihren Willen und die Fähigkeit unterstrichen, im nächsten Jahr im eigenen Land Fussball-Weltmeister zu werden.

Die Seleção präsentierte sich bei der Generalprobe zur WM 2014 in einem erstaunlich kompakten und wettbewerbsfähigen Zustand. Erstaunlich deshalb, weil die brasilianische Nationalmannschaft derzeit nur auf Platz 22 der FIFA-Weltrangliste rangiert (dem schlechtesten Rang ihrer Geschichte), in den letzten Jahren wenig überzeugen konnte und erst seit gut einem halben Jahr von Luiz Felipe Scolari trainiert wird. Unter dem unpopulären Vorgänger Mano Menezes musste die junge Mannschaft viele Anfeindungen ertragen.

Mit ihrem Auftritt bei der Mini-WM hinterließ die Mannschaft aber eine deutliche Duftmarke. Ihr Weg zum Finale glich einem Durchmarsch, bei dem gleich mehrere Demütigungen in der eigenen Fussballgeschichte nivelliert werden konnten. Das Eröffnungsspiel in Brasília am 15. Juni gegen Japan gewann die Seleção mit 3:0. Vier Tage später in Fortaleza wurde Mexiko mit 2:0 bezwungen und die Niederlage wieder gut gemacht, die man beim Finale der Olympischen Sommerspiele 2012 in London gegen die Mexikaner erlitten hatte. Am 22. Juni ging es in Salvador gegen Italien. Brasilien überraschte mit einem überzeugenden 4:2 und traf als Sieger der Gruppe A auf Uruguay, den Zweitplatzierten der Gruppe B.

Revanche für’s Maracanaço

Bei dieser Begegnung drängten sich zwangsläufig Erinnerungen an die bisher einzige Fussball-WM in Brasilien auf, bei der 1950 die Seleção im Finale gegen Uruguay eine schmachvolle Niederlage erlitten hatte, die als Maracanaço in die Geschichte einging und bis heute nachwirkt. Diesmal war es zwar nur ein Halbfinale und es fand nicht im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro, sondern im Mineirão von Belo Horizonte statt. Das spannende Match ging mit 2:1 dennoch zugunsten der Brasilianer aus und war wenigstens eine kleine Wiedergutmachung für die nachtragende brasilianische Fussball-Seele.

Italien musste sich als Zweiter der Gruppe A alldieweil mit Spanien, dem Ersten der Gruppe B, plagen. Die Erinnerung an das EM-Finale in Kiew am 1. Juli 2012 war noch frisch. Da waren die Italiener von den überragenden Spaniern mit einem 4:0 klar in ihre Schranken verwiesen worden. Bei dem kräftezehrenden Match in Fortaleza boten die Italiener den Spaniern überraschend gut Paroli. Die spanische Nationalmannschaft war kaum wiederzuerkennen, es fehlte ihr an Präzision, Kraft und Esprit. Torlos ging es in die Verlängerung, die tropischen Temperaturen zehrten sichtlich an den Kräften der beiden Mannschaften. Auch die Verlängerung blieb torlos. So musste die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen. Auch hier blieb das Ergebnis zunächst ausgeglichen. Beide Mannschaften konnten ihre ersten sechs Versuche sicher verwandeln. Beim insgesamt 13. Elfmeter verschoss der Italiener Leonardo Bonucci, Jesús Navas dagegen traf und löste somit das Ticket der Spanier für’s Finale in Rio de Janeiro gegen Brasilien.

Wie würde sich Brasilien gegen das Maß aller Dinge im internationalen Fussball der letzten Jahre schlagen? Würde die Seleção nun auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und die Spanier ihr eine Lehrstunde erteilen? Mitnichten. Angefeuert von zehntausenden Fans trat die brasilianische Auswahl sehr selbstbewusst auf, nahm das Heft in die Hand und ließ die müden Spanier gar nicht erst zu ihrem Tiki-Taka-Spiel kommen. Mit einem überzeugenden 3:0 trumpfte die Seleção in der regulären Spielzeit auf und holte sich zum vierten Mal den Konföderationen-Pokal.

Shooting-Star Neymar, der zuletzt beim FC Santos in Brasilien stürmte und nun beim FC Barcelona anfängt, wurde als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet und zeigte dort sein ganzes Können. Brasiliens Keeper Júlio César bekam den Goldenen Handschuh als bester Torwart und Stürmer Fred war zusammen mit dem Spanier Fernando Torres mit insgesamt fünf Treffern Torschützenkönig des Turniers. Den Goldenen Schuh bekam dennoch Torres, weil er weniger Einsatzminuten dafür benötigte als Fred.

Massendemos überschatten Fussball-Turnier

Streckenweise an den Rand gedrängt wurde die Mini-WM von den größten Massendemonstrationen, die Brasilien in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat. Hunderttausende Brasilianer nahmen den Confed Cup zum Anlass, ihren Unmut über Korruption, Politik, Milliardenausgaben für die WM und soziale Missstände zu artikulieren. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummigeschossen, gewaltbereite Minderheiten sorgten für Randale, plünderten Geschäfte.

Präsidentin Dilma Rousseff blieb dem Finale fern, nachdem sie beim Eröffnungsspiel in Brasília minutenlang ausgepfiffen worden war. In einer landesweit übertragenen TV- und Radioansprache kam sie den Forderungen der Demonstranten später zwar weit entgegen, konnte die kochende Volksseele damit aber nicht zur Ruhe bringen.

Bis zum Anpfiff der WM in 346 Tagen bleibt noch viel zu tun. Sechs von insgesamt 12 WM-Stadien müssen noch fertiggestellt werden, ebenso die Hotel-, Flughafen- und Transportstruktur und viel Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung und den Touristen geleistet werden.

Gerade mal 20.000 ausländische Touristen sollen nach Angaben des Tourismus-Ministers Gastão Vieira wegen des Confed Cup den Weg nach Brasilien auf sich genommen haben. Das ist nur ein Bruchteil der 600.000, die zur WM erwartet werden. Erste Ergebnisse einer Umfrage unter brasilianischen und ausländischen Touristen ergaben, dass die Befragten vor allem die schlechte Qualität des öffentlichen Transportsystems, die teure und schlechte Gastronomie in den Stadien und schlechte Fremdsprachenkenntnisse der Gastgeber kritisierten. Gut bewertet wurden dagegen die Taxis, die Sauberkeit, die Sicherheit, die Restaurants, der Komfort in den Stadien und die Preise der öffentlichen Verkehrsmittel. Ausgewertet wurden bisher nur 2000 von insgesamt 14.000 Interviews.

Wenig Verständnis für Milliardenausgaben

Nach letzten Schätzungen werden im Umfeld der WM 25,5 Milliarden Reais (rund 9 Mrd. Euro) investiert. Nach Angaben der Regierung fließen allein R$ 15 Milliarden in die Verbesserung der Infrastruktur. Demnach seien tatsächlich nur R$ 10,5 Milliarden (€ 3,6 Mrd.) der WM zuzurechnen. Angesichts der Größe des Landes und der tropischen Temperaturen stellt die Weltmeisterschaft Veranstalter, Mannschaften und Fussball-Fans vor besondere Herausforderungen. Die Massenproteste förderten zu Tage, dass breite Teile der Bevölkerung angesichts bestehender Missstände im Land wenig Verständnis für die immensen Ausgaben haben und nicht glauben, dass sie der Bevölkerung zugute kommen.

Darüber könnte man trefflich streiten. Das Rad lässt sich jedoch wohl kaum mehr zurückdrehen und die FIFA hat mehrmals klargestellt, dass es keinen „Plan B“ gebe. Die WM 2014 wird in Brasilien stattfinden. Und alle Beteiligten sind aufgerufen, das Beste daraus zu machen.

Brasilien ist es nicht gewohnt, in diesem Maße im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Brasilianer sind ein stolzes und patriotisches Volk, das nur schlecht mit Schmach und Niederlagen umgehen kann. Das zur Schau getragene Selbstbewusstsein als fünftgrößtes Land der Erde und aufstrebendes Schwellenland mit einer der größten Volkswirtschaften der Welt kontrastiert mit Realitäten, die wenig Anlass zu Stolz geben: Soziale Ungleichheit, Korruption, mangelhaftes Bildungs-, Gesundheits- und Transportsystem, fehlende Zuverlässigkeit, Professionalität und Wettbewerbsfähigkeit.

Die WM ist der gegebene Anlass, sich selbst in den Spiegel zu schauen, die bestehenden Mängel ehrlich zu analysieren und anzugehen. Brasilien wird beweisen müssen, ob es in der Lage ist, ein internationales Groß-Event zu stemmen, sich als reife Nation, attraktive Touristendestination und zuverlässige Wirtschaftsmacht nachhaltig zu empfehlen. Sollte dies nicht gelingen, wird die WM erst recht als gigantischer und teurer Flop in die Geschichte des Landes eingehen.

Die Spielverderber

9 Gedanken zu „Brasilien gewinnt Confed Cup im eigenen Land“

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