Aus der Traum: Kein Gold für die Seleção


Die brasilianische Fussball-Auswahl für die Olympischen Spiele in London hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Sie verlor das Finale gegen Mexiko mit 1:2 und musste sich mit der Silber-Medaille zufrieden geben. Die Zukunft von Nationaltrainer Mano Menezes hängt am seidenen Faden.

Es ist die fünfte olympische Medaille in der Geschichte des brasilianischen Männer-Fussballs und die dritte Silber-Medaille. Die Gold-Medaille bleibt für den fünfmaligen Weltmeister aber ein unerfülltes Soll.

Schon 30 Sekunden nach Anpfiff geriet die Seleção in Rückstand, nachdem Rafael da Silva einen dummen und leichtsinnigen Pass gespielt hatte, welcher dem mexikanischen Spieler Oribe Peralta die Chance zum schnellsten Fussball-Treffer in der Geschichte der Olympischen Spiele eröffnete.

In der 75. Minute erhöhte derselbe Peralta auf 2:0. Erst in der Nachspielzeit gelang Hulk der Anschlusstreffer. Kurz vor Abpfiff hatte Oscar noch eine glänzende Chance, per Kopfball den Ausgleich zu schaffen, doch der Ball ging über’s Netz.

(Einen ausführlichen Spielbericht gibt es beim Portal 2014.)

Die Enttäuschung ist groß und Brasilien sucht einen Schuldigen, den viele bereits in Nationaltrainer Mano Menezes ausgemacht haben.

Fussball-Ikone Romário, selbst nur Silber-Medaillist von 1988, heute Mitglied des Abgeordnetenhauses und bei den Olympischen Spielen Experte beim übertragenden Sender TV Record, erklärte dieses Finale während der Live-Übertragung zum letzten Spiel des Trainers.

Ein Trainer, der nicht auswählen, nicht zusammenstellen kann. Gut zumindest, dass wir heute seine letzte Partie in der Seleção sehen. Wer schlecht ist zerstört sich selbst. (Quelle: estadão.com.br)

Gleichwohl und im selben Atemzug zeigte sich Romário überzeugt davon, dass dieses junge, für die Olympischen Spiele ausgewählte Team im Großen und Ganzen die Mannschaft ist, die 2014 die WM im eigenen Land bestreiten wird. Fünf Spieler sind für ihn schon gesetzt: Thiago Silva, Lucas, Neymar, Leandro Damião und Oscar.

Mano Menezes ist sich des Druckes bewusst, der auf ihm lastet. Fussball-Nationaltrainer zu sein ist in keinem Land der Welt ein Zuckerschlecken. Aber in Brasilien ist es die Hölle, wenn nicht die erwarteten Ergebnisse geliefert werden.

José Maria Marin, Präsident des brasilianischen Fussball-Verbandes CBF, hatte schon beizeiten die Latte hoch gehängt und die Mission Gold ausgerufen und indirekt die Zukunft des Nationaltrainers davon abhängig gemacht.

Das war aus meiner Sicht ein großer Fehler. So wichtig es ist, sich ehrgeizige und anspruchsvolle Ziele zu setzen: Diese sehr junge und neue Auswahl hat noch nicht das Format, die Welt mit ihrem Fussball zu dominieren.

Mano Menezes ist erst seit zwei Jahren am Ruder und steht vor einer gewaltigen Aufgabe, vergleichbar mit der, die  Bundestrainer Jogi Löw einst übernahm.

Es galt nach zahlreichen internationalen Misserfolgen, ein überaltertes Team völlig zu erneuern und zu verjüngen. Bis aus dieser Auswahl von enorm talentierten Spielern ein Team zusammenwächst, braucht es Zeit, Geduld und viel Arbeit.

Das weiß Mano Menezes. Doch die Geduld hat in Brasilien fast niemand.

Rede Record hat bereits eine Umfrage gestartet, wer der bessere Nationaltrainer wäre und schlägt die Namen Muricy, Felipão, Tite, Parreira, Guardiola, Dunga oder gar Romário vor. Der bleacher report plädiert für Luiz Felipe Scolari.

Mano Menezes geht mit dem anschwellenden Bocksgesang bewundernswert gelassen um und nimmt den geächteten Rafael da Silva in Schutz:

Es wurden individuelle Fehler begangen und der größte geschah in der 30. Sekunde. Aber wir hatten 89 Minuten, um das Spiel umzudrehen. (Quelle: FIFA)

Menezes relativierte außerdem die Bedeutung dieses Spieles:

Die Niederlage in einem Spiel ändert nicht viel, ebenso wenig wie ein Sieg. Wenn wir gewonnen hätten, hätten wir damit nicht alle unsere Probleme gelöst.

Uns fehlte etwas in dieser Basis von bis zu 23 Jahre alten Spielern, denn das ist die Realität dieses (olympischen) Wettbewerbs. Aber ich denke, von jetzt an, wo wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Fussball-WM lenken und die echte Auswahl auf’s Feld stellen, können wir unsere Evolution in Richtung 2014 fortsetzen, denn das ist unser vorrangiges Ziel. (Quelle: estadão)

Via Twitter zeigte sich Menezes als fairer Verlierer und schrieb:

Menezes beglückwünscht Mexiko zum Sieg

(Wir anerkennen die Überlegenheit des Gegners und beglückwünschen Mexiko zum Gold, von dem ich wünschte, dass es uns gehört hätte.)

Fussball-Idol Pelé übte sich in Altersweisheit:

Tweet von Pelé

(Der Fussball ist eine Überraschungskiste. Manchmal gewinnt das beste Team nicht.)

Ob Brasilien das beste Team des Turniers war, lasse ich mal dahingestellt…

Zum Schluss noch ein Wort zur ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. Ohne sexistisch sein zu wollen, ist es bezeichnend, dass das ZDF für dieses Spiel, das mit über 86.000 Besuchern im Wembley-Stadion das bestbesuchte sportliche Einzelevent der diesjährigen Spiele war, nur die zweite Garde aufbietet.

Frau Neumann konnte den Spielverlauf zwar überwiegend kompetent analysieren, zeigte aber ansonsten enorme Defizite. Das fing schon damit an, dass die Frau die Spielernamen nicht korrekt aussprechen konnte. Es war auch kompletter Schwachsinn zu behaupten, dass Mexiko in dem Spiel der totale Underdog gewesen sei. Schließlich ist es nicht lange her, dass Brasilien gegen Mexiko verloren hat (siehe: Seleção verliert gegen Mexiko 0:2).

Es wäre auch schön gewesen, wenn die Frau sich vorher mal ein bisschen tiefgründiger über Brasilien, die Seleção und ihre Spieler informiert hätte und somit das Spiel in seiner Bedeutung eingeordnet hätte.

Aus ihrem Munde kamen aber nur Plattitüden, wenn sie das „jogo bonito“ oder den „Samba-Fussball“ vermisste. Das Wort Samba sollte man im Zusammenhang mit Brasilien und Fussball ohnehin auf den Index stellen. Das ist so platt und klischeehaft wie nur irgendwas!

Aus der Traum: Kein Gold für die Seleção

9 Gedanken zu „Aus der Traum: Kein Gold für die Seleção“

  1. Mano Menezes bekommt einstweilen das Vertrauen von CBF-Präsident Marin ausgesprochen. Gleichwohl wollte der Präsident des Fussballverbandes keine Garantie dafür geben, dass Menezes auch 2014 noch der Nationaltrainer ist. Marin sieht Menezes und die Selecao aber auf dem richtigen Weg. Romário hat also völlig daneben gelegen….

    http://br.reuters.com/article/sportsNews/idBRSPE87K07B20120821?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter&pageNumber=1&virtualBrandChannel=0

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