WM 2014: Spanien dankt ab

Wieder so eine merkwürdige Koinzidenz: Am selben Tag, an dem der spanische König Juan Carlos seine Abdankung unterzeichnet, erlebt der amtierende spanische Fussball-Weltmeister bei der WM 2014 in Rio de Janeiro sein Maracanaço und wird von den Chilenen bereits in der Gruppenphase vom Thron gestürzt. Spanien ist raus!

Was für eine Sensation! Schon im ersten Gruppenspiel gegen die Niederlande (1:5) erkannte man die Spanier nicht wieder. Die hohe Niederlage war ein Schlag ins Gesicht (übrigens: schon beim Finale des Confed Cup 2013 gegen Brasilien ließ sich La Roja vorführen).

Gegen Chile musste also unbedingt ein Sieg her. Doch bevor überhaupt das Spiel angepfiffen war, standen die Spanier schon auf verlorenem Posten. WM-Austragungsort Rio de Janeiro erlebte eine Invasion eines unüberschaubaren Heeres rot gekleideter Chilenen. Die schreckten auch nicht davor zurück, das Maracanã-Stadion zu entern, ob mit oder ohne Eintrittskarte. Laut Medienberichten schafften es ca. 85 Chilenen, ohne (gültiges) Ticket ins Stadion zu kommen, wurden dann aber von den Sicherheitskräften festgenommen und werden des Landes verwiesen (Link auf Portugiesisch).

Das Stadion war fest in der Hand der Chilenen. Beim Intonieren der Hymnen zeigte sich mal wieder, wie schlecht Spanien damit fährt, keinen Text für seine Nationalhymne zu haben. Die Chilenen machten es dagegen den Brasilianern nach und sangen ihre Hymne einfach weiter, als das Playback verstummte. Eine Demonstration des Willens und der Motivation, die auf dem Platz ihre Entsprechung fand.

Die Chilenen kämpften, als gäbe es kein Morgen. Zu ihrem unbändigen Siegeswillen gesellten sich hervorragende Technik und Taktik, wie Mehmet Scholl treffend in der ARD analysierte. Die Spanier sahen richtig alt aus und fügten sich glücklos ihrem unabwendbaren Schicksal.

In den sozialen Netzwerken zeigten sich die spanischen Fans als schlechte Verlierer, wie das brasilianische Portal terra.com.br berichtet, beschimpften Brasilianer und Lateinamerikaner u.a. als „Affen“ und „Schwule“.

Wegen dieser Überheblichkeit und Arroganz einer versunkenen Weltmacht haben die Spanier auf dem südamerikanischen Kontinent auch wenig Freunde. Brasilien und Spanien – das passt sowieso nicht zusammen. Historisch gesehen beißen sich die Spanier wahrscheinlich noch heute in den Allerwertesten, dass sie dieses an Rohstoffen und Fruchtbarkeit überreiche Riesenland wegen des Vertrages von Tordesillas den Portugiesen überließen.

Beim Confed Cup im vergangenen Jahr war ausserdem zu spüren, dass die Spanier mit diesem Land, seiner Kultur und seiner unbändigen Energie nicht warm werden.

Bei der Planung zur WM 2014 machte Spanien einen weiteren, schweren strategischen Fehler: Es entschied sich für Curitiba als WM-Quartier. Abgesehen davon, dass dieser WM-Austragungsort auf den letzten Metern noch drohte, aus dem WM-Spielplan gestrichen zu werden, liegt die Hauptstadt des Bundesstaates Paraná weit weg von den meisten anderen WM-Austragungsorten und ist im jetzigen brasilianischen Winter auch klimatisch völlig anders als insgesamt zehn von zwölf WM-Austragungsorten.

Also: Adios amigos. Ihr habt uns in der Vergangenheit viel Freude bereitet. Jetzt sind es aber andere. Viele andere: Die Deutschen, die Niederländer, die Chilenen, die Kroaten, die Mexikaner undundund. Auch die Australier haben gestern sensationell gegen Holland gefightet. Es hat am Ende zwar nichts genützt, denn die Messe in der Gruppe B ist bereits gesungen. Aber sie haben sich immerhin höchste Anerkennung auch vom niederländischen Gegner verschafft.

Abgesehen von der WM 2006 in Deutschland kann ich mich nicht erinnern, jemals eine Fussball-Weltmeisterschaft erlebt zu haben, die so mitreissend und spektakulär war wie diese.

So wird diese WM 2014 in Brasilien doch als Copa das Copas (größte WM aller Zeiten) in die Geschichtsbücher eingehen. Nur eben anders, als sich das die brasilianischen Politiker, Funktionäre und das Fremdenverkehrsamt Embratur immer noch vorstellen.

WM 2014: Brasilien vs Mexiko

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