Von Teufeln und anderen bösen Geistern

Nicht alles ist schön in Brasilien. So präsent Gott, Schutzengel und gute Geister sind, so gegenwärtig ist auch der Teufel mit all seinen Spießgesellen. Es gibt viele Leute, die dem Bösen geradezu huldigen mithilfe schwarzer Magie (macumba). Außerdem ist Klatsch und Tratsch (fofoca) geradezu Volkssport und sorgt für viel Verwirrung (confusão) in Familien, Freundes- und Bekanntenkreisen.

Von der hohen Kriminalitätsrate mit all ihren Raubüberfällen, Vergewaltigungen und Morden wegen Nichtigkeiten gar nicht zu reden.

Die krassen sozialen Unterschiede sind sicher eine wichtige Ursache für die vielen Eigentumsdelikte. Der Überlebenskampf ist härter, weil es kein nennenswertes soziales Netz gibt, welches einen Strauchelnden vor dem Absturz retten könnte. Also ist irgendwann jedes Mittel recht, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Neid, Missgunst und Habsucht sind weitere starke Triebfedern für das Böse.

Es ist nicht einfach, in Brasilien Leute zu finden, denen Du zu hundert Prozent vertrauen und auf die du dich zu hundert Prozent verlassen kannst.

Vor allem in geschäftlichen Dingen ist besondere Vorsicht angebracht. Die deutsche Vorstellung von Vertragstreue und Zuverlässigkeit ist hier nicht allzu weit verbreitet. Wer die hiesige Mentalität nicht kennt und keine verlässlichen Partner hat, der fällt schnell auf die Schnauze.

Man muss schon zweimal oder besser dreimal hinschauen, um halbwegs sicher zu gehen, dass der Geschäftspartner auch wirklich vertrauenswürdig ist.

Ich habe das gerade am eigenen Leib erfahren.

Als ich Anfang Januar nach Porto Seguro kam, wurde ich mit einem dort ansässigen Immobilienmakler bekannt gemacht, welcher der beste Freund eines brasilianischen Freundes ist, der in Berlin lebt. Dieser Makler hat über zehn Jahre in Deutschland gelebt und spricht verhältnismäßig gut Deutsch.

Er war sehr nett und hilfsbereit, führte mich in seine Familie ein, die in Arraial d’Ajuda lebt. Wir unterhielten uns über sein Business, das ein zentraler Pfeiler der Wirtschaftskraft der Region ist und sehr lukrativ sein kann. Wir kamen überein, dass wir zusammen arbeiten wollten und ich ihm Kunden aus Europa, speziell dem deutschsprachigen Raum zuführen könnte, die an Immobilien oder Landbesitz in und um Porto Seguro herum interessiert sind.

Er bot mir im Erfolgsfalle eine Beteiligung von 50 Prozent an der Provision an, was mich positiv überraschte.

In der Tat ergab es sich bald darauf, dass mein brasilianischer Nachbar in dem Condomínio, in dem ich zu der Zeit wohnte, auf der Suche nach einer Pousada in Arraial d’Ajuda war, die er für vier Jahre pachten wollte. Ich stellte den Kontakt zu meinem Makler her, vereinbarte ein gemeinsames Treffen und tatsächlich hatte der Makler auch gerade eine Pousada zur Hand, die den Vorstellungen meines Nachbarn entsprach.

Der Abschluss des Geschäftes zog sich hin, so dass für mich schon die Zeit des Aufbruchs nach Belo Horizonte gekommen war. Kurz vor meiner Abreise telefonierte ich mit dem Makler, um mich vorerst von ihm zu verabschieden und zu erfahren, wie weit das Geschäft gediehen sei. Wir kamen auch darauf zu sprechen, wie wir nun mit der Provision weiter verfahren würden und zu meiner Überraschung wollte er von den 50 Prozent nichts mehr wissen. Mit der Begründung, dass er ja noch seinen Bruder als Sozius habe und mit ihm teile bot er jetzt nur noch 30 Prozent an. Das sei auch der Anteil, den er mit anderen Partnern in Europa vereinbart habe.

Ich war nicht einverstanden. Dass er mit seinem Bruder teilen wolle oder müsse, sei nicht mein Problem. Allerdings gestand ich ein, dass ich fifty-fifty auch nicht für gerechtfertigt hielte, weil er in der Tat die eigentliche Arbeit mit den Verträgen und der Bürokratie vor Ort zu bewältigen habe. Andererseits: Ohne Kunden verdient auch er nichts. Und bei deutschsprachigen Kunden wäre ich deutlich stärker involviert. Und meine Kunden verlassen sich auf mich und vertrauen darauf, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Läuft etwas schief, werden sie mir Vorwürfe machen. Ich forderte 40 Prozent und der Makler willigte ein.

Als das Geschäft endlich zum Abschluss gekommen war, bat mich der Makler um eine Kontoverbindung, die ich ihm auch gleich übermittelte. Die Überweisung zog sich aber hin, weil er angeblich die ganze Zeit mit einem Kunden in einer Region unterwegs gewesen war, wo die Internetverbindung für’s Onlinebanking schlecht war. Als es schließlich so weit war, fragte ich per Mail an, wie viel ich denn jetzt überhaupt bekommen würde.

Zu meiner Verblüffung nannte er zwar den richtigen Betrag, hatte aber eigenmächtig 200 Reais davon abgezogen mit der Begründung, sie zusammen mit 300 Reais von seinem Anteil an unseren gemeinsamen brasilianischen Freund in Berlin zu überweisen, weil er mich ja nur durch ihn kennengelernt habe. Das sei eine einmalige Sache, bei künftigen Abschlüssen würde ich den kompletten Anteil erhalten.

Ich reagierte sauer und erwiderte, dann könne er auch noch einen Anteil an die Mutter meiner Kinder überweisen, denn nur durch sie hätte ich den gemeinsamen Freund kennengelernt. Auch die Mutter dieses Freundes müsste noch beteiligt werden, denn schließlich hätte ich den Nachbar nur kennengelernt, weil ich in ihrem Apartment untergekommen war…

Was ich dann als Antwort bekam, ist es Wert, im Wortlaut dokumentiert zu werden:

Gregor,

ich schicke dir am Montag die rest 200 reais, aber für mich basta etwas zu tun mit dir! normalerweisse ich teil 50% mit andere mäkler und du bist nicht makler, ich habe anderes partnerschaft in Deutschland, Schweiz, Italien, Spanien u.s.w. und ich gebe 30% auf alle transaktion und sie sind sehr zufrieden, erinnere mich sehr gut wann habe ich dir gesagt 50% in ein moment so spontane und du selbst gesagt das ist viel, verstehen? und war wirklich viel für nur weitergeben oder weiterleiten ein möglicher kunde, verstehen? dann in telefon die letzte mal hab ich dir gesagt 40% und hast gesagt ok, aber für uns nicht stress und problem in zukunfte habe…stop wir hier, ok? Ich danke dir für J. (Name des Kunden) mich vorstelle, aber besser so für alle. Danke nochmal und viel erfolg und viele spass !

Ich erwiderte, dass für mich unter diesen Umständen eine Zusammenarbeit ebenfalls nicht mehr in Frage käme, denn er halte sich offensichtlich nicht an getroffene Vereinbarungen. Ich bedankte mich für alles und wünschte alles Gute und „Fica com Deus“ (Bleibe mit Gott), eine in Brasilien geläufige Formel, um den Gläubigen wie Nichtgläubigen daran zu erinnern,  wer uns im Leben Orientierung gibt.

Das ist überhaupt eine wichtige Grundregel, die man in Brasilien beherzigen sollte: Sich am besten an Leute zu halten, ob Mann oder Frau, die sich zu Gott und Jesus bekennen und die christliche Moral zur Richtschnur ihres Handelns gemacht haben. Bei aller Falschheit und Verlogenheit, die man auch unter Kirchgängern findet, ist das zwar keine hundertprozentige Garantie für Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit. Aber zumindest ist die Wahrscheinlichkeit erheblich höher, von solchen Leuten nicht über’s Ohr gehauen zu werden, weil diese Leute wenigstens eine klare Vorstellung davon haben, was richtig und falsch ist.

Der größte Clou an der Geschichte mit dem Makler ist: Der gemeinsame Freund in Berlin wußte auf Nachfrage überhaupt nichts davon, dass er an dem Geschäft finanziell beteiligt werden soll. Offensichtlich ist das also nur gelogen.

Aus Schaden wird man klug

Dass ich länger als erwartet und gewünscht in Belo Horizonte bin, hat allein damit zu tun, dass ich die ganze Zeit darauf spekuliert habe, das Auto einer Tante geliehen zu bekommen, um damit reisen zu können. Da sie keinen Führerschein hat und das Auto nur in der Garage rumsteht, spricht theoretisch nichts dagegen. Leider ist das Auto bei einem Autounfall am 2. März so beschädigt worden, dass es nicht reisetauglich ist.

Da ich das Auto schon bald danach benutzen wollte, um die Oma mit ihrem Ziehsohn nach Ilhabela bei São Paulo zu kutschieren, wo sie zu einer Hochzeit eingeladen waren, bemühte ich mich mit einem Bruder der Tante darum, eine Werkstatt ausfindig zu machen, welche das Auto zu einem günstigen Preis schnell wieder in Ordnung bringen würde. Zahlen musste ja der Unfallverursacher, der allerdings schon zugegeben hatte, keine Haftpflichtversicherung zu haben und knapp bei Kasse zu sein und nur in Raten zahlen zu können.

All die günstigen Werkstätten, die ich mit dem Onkel abklapperte, wollten sich auf eine Ratenzahlung aber nicht einlassen. Ohnehin war es wenig vertrauenserweckend, dass jede Werkstatt unterschiedliche Auffassungen darüber hatte, was zu tun war. Und bis zur bevorstehenden Abreise nach Ilhabela war eh nichts mehr zu machen.

Ich verlor schließlich die Geduld und meinte, ich verstünde sowieso nicht, wieso wir uns all die Mühe machten, eine möglichst günstige Werkstatt zu finden. Das sei schließlich nicht unser Problem sondern Sache des Unfallverursachers.

Der Lebenspartner der Tante und ich waren uns einig, dass es wohl am besten sei, das Auto in eine Vertragswerkstatt zu bringen und alles fachmännisch und mit Garantie reparieren zu lassen. Allerdings war der Unfallverursacher nach ihrer Aussage per Handy nicht mehr zu erreichen, es ging nur die Mobilbox an. Erst müsse daher die Anzeige besorgt werden, in der alle Daten des Unfallverursachers aufgeführt sind.

Das habe ich in der Zwischenzeit erledigt. Gestern hatte die Tante, die hier mit im Haus der Oma wohnt, außer der Reihe einen arbeitsfreien Tag in der Woche. Ich ergriff die Gelegenheit und schlug vor, doch heute zusammen zur Vertragswerkstatt zu fahren um endlich diese Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Sie erwiderte nur lustlos: „Ach, heute nicht“.

Ich erklärte ihr zum wiederholten Mal, das Auto zu brauchen. Wir hätten ihr in den vergangenen Jahren sehr oft beigestanden, als sie finanzielle Hilfe brauchte und es sei das Mindeste, dass sie sich jetzt auch mal revanchiere. Aber selbst ein längeres Telefonat mit ihrer Nichte in Deutschland konnte sie nicht umstimmen. Sie will die Angelegenheit nicht klären und sieht sich auch nicht in der Pflicht, das Auto zu verleihen, das sie im Übrigen nur Dank einer Anzahlung, die wir beim Kauf damals geleistet haben, überhaupt erwerben konnte.

Das ist schon ein starkes Stück. Wenn es ums Handaufhalten geht, sind alle schnell zur Stelle. Wenn es darum geht, selbst mal etwas abzugeben, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.

Nun gut. Der Tag wird kommen, wo sie wieder unsere Hilfe brauchen könnte. Aber darauf kann sie dann vergeblich hoffen.

Es wird höchste Zeit, die Zelte hier abzubrechen. Ich habe hier nichts verloren. Nur Zeit und meine Geduld. Meine Arbeitsmöglichkeiten sind ausserdem mehr als suboptimal, weil es im Haus der Oma kein Internet gibt und ich auf ein LAN-House angewiesen bin, das nach Lust und Laune öffnet.

Auch das Display meines iPhone ist hier zersprungen, weil die Tante vor zwei Wochen nicht aufgepasst hat und es aus Versehen vom Sofa fallen ließ, wo ich es deponiert hatte. Auch da zeigt sie keinerlei Einsicht und gibt mir die Schuld, dass ich es überhaupt dort hingelegt habe (als sie noch gar nicht im Hause war).

Auf diesem Schaden soll ich also auch noch sitzen bleiben.

Aber wie heisst es so schön: Aus Schaden wird man klug….

Von Engeln und anderen guten Geistern

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