Reise nach Brasilien – Salvador da Bahia

Blick auf Strand


Am Dienstag aus dem kalten, grauen, verregneten Deutschland nach Brasilien geflogen. Das ist nicht nur ein großer Sprung durch Raum, Zeit und Klima, es ist auch immer ein Sprung in eine andere Welt. Selbst für mich, der das Land und seine Leute schon ziemlich gut kennt. Immerhin gelingt es mir inzwischen auf Anhieb, mich auf den hiesigen Lebensrhythmus einzupendeln.

Diesmal war es besonders leicht. Denn eine gute brasilianische Freundin, die in Berlin lebt, aber aus Salvador stammt, macht hier gerade Urlaub. Sie holte mich am Flughafen der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia ab, als ich am Mittwoch um 10 Uhr Ortszeit mit dem Flieger aus Rio de Janeiro landete. In Rio war ich um 5:30 Uhr Ortszeit zwischengelandet. Zu der Uhrzeit waren es dort schon 25 Grad Lufttemperatur. In Salvador waren es um 10 Uhr dann schon über 30. (Salvador hinkt Rio im Sommer eine Stunde hinterher, weil der ganze Nordosten aus der Sommerzeit ausgestiegen ist.)

Ich wurde schon von Carina erwartet, begleitet von einem Freund, der am Flughafen arbeitet und einem Taxifahrer, den sie kannte und mit dem sie einen Freundschaftsdeal gemacht hatte. So kostete mich die Fahrt zum Hotel 90 statt 110 Reais, was aber immer noch happig ist.

Durch den dichten Berufsverkehr ging es langsam in Richtung des Hotels im Stadtteil Barra, in dem auch Carina sich einquartiert hatte, weil es gut liegt und billig ist. Ein simples Zimmer mit eigenem Klo und Dusche, Fernseher und Ventilator inklusive kleines Frühstück kostet dort 45 Reais pro Nacht. Das sind also gut 16 Euro – für die jetzige Hochsaison ein absolut unschlagbarer Preis. (An Karneval gehen die Preise noch mehr durch die Decke. Da kann man nur mehrere Tage am Stück (pacotes) buchen. Wer von privat ein Appartment mieten will, zahlt inzwischen gar mehrere tausend Reais für die Karnevalstage.)

Das Hotel liegt an der Avenida Sete de Setembro, der stark befahrenen und frequentierten Küstenstraße von Barra, gleich an einem innerstädtischen Strand.

Die Lage und der attraktive Preis sind allerdings auch mit das Einzige, was dieses Hotel auszeichnet. Ansonsten ist es sehr einfach und schlicht, am Rande zur Schäbigkeit. Es ist dennoch laut Carina trotz der einfachen Holztüren sicher. Man kann seine Wertsachen getrost im Zimmer lassen. Das Personal ist freundlich. Und es gibt eine tolle Dach-Veranda im vierten Stock, von der aus man einen weiten Blick auf Strand, Meer und die gegenüberliegende Insel Itaparica hat.

Blick auf StrandLeider haben die Eigentümer nichts daraus gemacht. Die Veranda ist leer und schmutzig. Dabei wäre es ein toller Platz für ein schönes Frühstück im Freien oder eine Cocktail-Party zur Nacht.

Eigentlich müsste man das ganze kleine Hotel komplett renovieren und modernisieren, Trennwände zwischen den kleinen Zimmern einreißen und größere Zimmer daraus machen. Für weniger Leute zwar, aber dann für mehr Geld.

Ich sprach mit dem Besitzer darüber und er bestätigte, was ich vorher schon gehört hatte, dass die Familie das Hotel verkaufen wolle. Sein Vater sei vor drei/vier Jahren gestorben, nun bestimmten drei Familienmitglieder über das Erbe und jeder habe andere Vorstellungen. Als Kaufpreis nannte er drei Millionen Reais (gut eine Million Euro).

Das erschien mir sehr hoch. Schließlich müsste ja auch viel Geld in die Modernisierung gesteckt werden.

Aber der Eigentümer sagte, seine Preisforderung sei gerechtfertigt. In dieser Toplage würden andere allein für ein modernes (Luxus-)Appartment schon eine Million Reais zahlen, für eine Altbauwohnung mehr als eine halbe Million.

Das bekam ich auch von anderer Seite bestätigt. Die Immobilienpreise sind nicht nur in Rio sondern auch in Salvador durch die Decke gegangen. Offenbar gibt es die Nachfrage dafür.

Seit ich das letzte Mal vor fast zehn Jahren in Salvador war, hat sich die Stadt sichtbar verändert. Man sieht viele neue moderne Hochhäuser, in denen es hochwertige Appartments für gut Betuchte gibt. Und von denen gibt es in Salvador sichtbar mehr: Die Autos sind dick, die Shopping-Center schick, die Restaurants teuer.

Lower Budget hat es da immer schwerer, auch für die einheimische Mehrheit, die nicht so einen dicken Geldbeutel hat. Immerhin: Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre hat Millionen Menschen in Brasilien sozialen Aufstieg gebracht. Auch benachteiligte, schlecht gebildete Schichten finden Jobs, die mehr einbringen als das salario minimo, das gesetzliche Mindestgehalt, das seit diesem Jahr bei 678 Reais liegt.

Der Hoteleigentümer bestätigte, dass die Brasilianer für ihn die wichtigste Zielgruppe seien. Ausländer kämen nicht mehr in so großen Zahlen. Da mache sich die Euro-Krise bemerkbar.

Aber dafür gibt es ja die vielen Brasilianer, die offenbar gut genug verdienen, um sich einen teureren Urlaub leisten zu können.

Der Binnenmarkt, so mein Eindruck in Salvador, brummt. Und der Binnenmarkt ist schließlich groß. Fast 200 Millionen Menschen leben in Brasilien. Und vielen fehlt es noch an Vielem. Konsum ist King. Jeder will ein eigenes Auto haben, die Straßen können die ganzen Blechlawinen schon gar nicht mehr bewältigen.

Am besten, man würde den ganzen Straßenabschnitt, an dem das Hotel liegt, sanieren. Mit einem schönen kleinem Hotel neben dem nächsten gemütlichen Restaurant.

Das würde den Charakter dieser Ecke sehr verändern, die derzeit eher etwas von Bahnhofsviertel hat.

Es laufen etliche Crack-Süchtige, Verrückte und heruntergekommene Gestalten herum. Allerdings scheinen sie kaum eine Gefahr darzustellen, sie werden von den Einheimischen eher belächelt oder fortgescheucht. Ein Posten der Militärpolizei ist rund um die Uhr besetzt und wacht aufmerksam über die Sicherheit.

Die Straßenbar Macau Chinês ist der zentrale Treffpunkt. Hier müsste man an mehreren Ecken Kameras installieren, nur um das Schauspiel zu filmen, das hier allabendlich stattfindet.

Der Hotelbesitzer meinte, er würde gerne den Charakter seines Hotels beibehalten. Damit auch Leute mit schmalerem Geldbeutel, die seit Jahren zu seinen Stammkunden zählen und Freunde mitbringen, weiter an so einer Toplage eine Unterkunft bekommen können.

So kann man es auch sehen.

Der Strand würde im Zuge einer Gentrifizierung sicherlich auch viel von seinem jetzigen Charakter verlieren. Er ist nämlich ein echter Volksstrand. Hier sitzt und liegt, Sonnenschirm an Sonnenschirm gequetscht, das einfache Volk aus Salvador und Umland.

Carina holte am Donnerstag früh ihren Geliebten am Busbahnhof ab, den sie kürzlich im interior rund zweihundertfünfzig Kilometer landeinwärts kennengelernt hat. Der 35-jährige Mann war zum ersten Mal in Salvador. Aber er traf am Strand gleich Bekannte aus seiner Gegend, die jetzt zur Ferienzeit ebenfalls mal „in die große weite Welt hinaus“ wollten.

Die Männer machen einen auf Obercool, zeigen ihre nackten, kräftigen Oberkörper, ihre Tatoos, ihre coolen Sonnenbrillen. Der schmale Bürgersteig entlang der Küstenstraße wird zum Catwalk, auf dem man sich gegenseitig und die hübschen Mädchen begutachtet, die im Bikini vorbeiflanieren oder wo mit Bekannten und Freunden geplauscht und Bier getrunken wird.

Eine Sambagruppe spielt unten am Strand eine Jam-Session. Sie werden von anderen Strandbesuchern umlagert, oben bleiben die Flaneure stehen und schauen ihnen zu.

Erst am späten Abend haben sich die Massen aufgelöst. Einige wenige nutzen den ungewohnten Platz am Strand für ihre vornehmlich sportlichen Aktivitäten.

Vereinzelt drücken sich junge Liebespaare an die Mauer der Promenade. Ich stehe einmal alleine dort und bemerke, dass offenbar auch schwule Männer gerne hier flanieren. Sie werfen mir Blicke zu. Ich verdrücke mich lieber ins Hotel…

Ich habe im Vorfeld viel Negatives über Salvador gehört und gelesen, vor allem was die gestiegene Kriminalität angeht. Auch Einheimische beklagen das vor Ort.

Ist das auch ein Grund, wieso ausländische Touristen fernbleiben?

Als ich vor etwa zehn Jahren dort war, gab es sehr viele ausländische Touristen. Dank des damals sehr guten Wechselkurses und geringer Lebenshaltungskosten waren auch viele Low-Budget-Globetrotter dort. Aber die Zeiten sind leider vorbei.

Trotz meiner Reiseerfahrung in Bezug auf Brasilien bin ich froh, dass ich nicht alleine in Salvador unterwegs bin, sondern mit Carina eine ortskundige Begleiterin habe, die hier viele Leute kennt und von vielen gekannt wird.

So falle ich als ausländischer Neuankömmling mit noch winterweißer Haut nicht so auf, werde gleich akzeptiert, komme mit vielen Brasilianern ins Gespräch, die sich über meine sehr guten Portugiesisch-Kenntnisse freuen.

Ich muss nicht selbst die Stadt neu erkunden, sondern habe jemanden dabei, der die besten und günstigsten Ecken kennt und weiß, wo man was bekommt.

So lerne ich in einer Nebenstraße ein Restaurant kennen, wo man für 15 Reais (€ 5,50) so viel vom umfangreichen Landesküchen-Buffet essen kann, wie man will. Das Restaurant ist voll mit Leuten, die sich den Bauch vollschlagen.

Kaufe im Shopping-Center beim Mobilfunkanbieter TIM einen Mobilfunk-Chip für 10 Reias, was gleichzeitig mein Kredit ist.

Die Registrierung klappt auch mit meinem Namen und Reisepass, was bis vor Kurzem noch nicht möglich war.

Mit dem Chip kann ich auch in’s Internet. Kostet 50 Centavos pro Tag. Genau Datenraten weiß die etwas einfältige junge Verkäuferin nicht, sie warnt aber, dass man nicht viel damit machen könne, nur Emails checken oder vielleicht Facebook kurze Mitteilungen schreiben.

Der Laden bietet den Chip allerdings nicht als Minichip für`s iPhone. Dafür müssen wir zu einem anderen Laden im Shopping-Center, der auf iPhones spezialisiert ist (O mundo do iPhone). Dort können sie ihn zurechtschneiden. (Unverständlich, wieso der Mobilfunkanbieter in seinem großen Laden so einen Service nicht anbietet. Das iPhone ist auch in Brasilien sehr gefragt, obwohl es dort noch viel teurer ist als bei uns.)

Carina führt mich und ihren Freund  an meinem zweiten Tag in Salvador, der gleichzeitig mein Abreisetag ist, noch an einen Geheimstrand, wo sie früher oft gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet hat.

Wir setzen uns auf die kantigen und steilen Felsen. Es ist noch zu früh für den Sonnenuntergang, aber es macht sich schon eine Spätnachmittags-Stimmung breit. Wir geniessen die Ruhe und den Ausblick.

Carina organisiert danach für mich einen Taxifahrer, der mich um 18 Uhr zum Freundschaftspreis von 30 Reias zum Busbahnhof bringt. Am frühen Morgen, als sie ihren Freund am Busbahnhof abgeholt hatte, hatte sie dort schon mein Ticket für meine Fahrt nach Porto Seguro besorgt, die am selben Abend für 20 Uhr ansteht.

Einem Ausländer ist es nicht zu empfehlen, in einer Großstadt wie Salvador mit seinem ganzen Gepäck einen gewöhnlichen Linienbus zu nutzen, um zur Rodoviária (Busbahnhof) oder zum außerhalb gelegenen Flughafen zu kommen. Das ist zu gefährlich. Selbst ohne Gepäck würde ich es einem unerfahrenen Ausländer nicht empfehlen, schon gar nicht abends oder nachts. Man muss also aus Sicherheitsgründen ein Taxi nehmen.

Die einfache Fahrt nach Porto Seguro kostet 151 Reais (€ 56) mit einem sogenannten Semi-Leito, einem komfortablen Reisebus mit breiten, bequemen Liegesitzen, Klimaanlage und Videomonitoren an der Decke. Die Fahrt dauert schließlich auch die ganze Nacht. Erst kurz vor acht Uhr werde ich in Porto Seguro ankommen.

Dort soll mich die Mutter eines brasilianischen Freundes erwarten, der die letzten Jahre in Porto Seguro gelebt hat, aber derzeit in Berlin lebt. Er hat ein Appartment dort, in dem ich kostenlos wohnen kann (eine Gegenleistung für einen großen Gefallen, den wir ihm gemacht haben).

Leider kann ich seine Mutter über die angegebene Telefonnummer nicht erreichen. Ich bestätige Chico per Facebook, dass ich wie geplant am 10. Januar morgens mit dem Bus eintreffen werde, bekomme aber keine Antwort. Meine Frau versucht in Deutschland, Chico per Handy zu erreichen. Aber es geht nur die Mobilbox an. Sie und Carina machen sich Sorgen, ich würde in Porto Seguro ankommen und keiner mich abholen.

Ich bleibe jedoch entspannt. Ist ja schließlich noch ein paar Stunden Zeit, bis ich ankomme. Selbst wenn sie nicht da sein sollte, werde ich sie ausfindig machen. Bin ja schließlich kein Greenhorn.

Es fällt mir schwer, Salvador zu verlassen. Nicht dass mich die Stadt so reizen würde. Aber mit Carina und ihrem Freund hätte ich sicher noch einiges erleben und Einblicke bekommen können, die man sonst nicht so leicht erhält. Aber meine Zeit und mein Budget sind begrenzt und ich habe noch einiges vor.

Reise nach Brasilien – Salvador da Bahia

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