Halbzeit-Bilanz der WM 2014 in Brasilien

Die Gruppenphase der WM 2014 in Brasilien ist abgeschlossen. Deutschland hat gestern im Dauerregen von Recife mit 1:0 gegen Klinsmanns US-Boys gewonnen und trifft im Achtelfinale überraschend auf Algerien. Portugal macht sich als weiteres europäisches Top-Team auf den Weg nach Hause. Die sportliche Bilanz bisher: Diese WM ist der Hammer.

Ich schaute mir das Spiel #USAGER mit meinen beiden Kindern zum ersten Mal während dieser WM auf der Fanmeile am Brandenburger Tor an. Nach dem schlechten Wetter der letzten Tage gab es endlich wieder Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad.

Das sollte aber nicht so bleiben. Beim letzten Drittel der ersten Halbzeit setzte Regen ein, der immer heftiger wurde, begleitet von einem Gewitter. Wir fanden schließlich einen Unterstand unter einem großen Schirm fernab der Menge, wo wir ca. eine halbe Stunde verharrten. Die zweite Halbzeit hatte schon begonnen und Thomas Müller das letztendliche Siegtor erzielt, als der Regen nachließ und wir zum Haus der Kulturen der Welt liefen, um den Rest des Matches (oder sollte ich sagen Matsches? Denn auch in Recife regnete es in Strömen und Jogi Löw sah auf der Bank wie ein begossener Pudel aus) auf Großleinwand im Kinosaal zu sehen.

Das Spiel war nicht allzu mitreißend. Ich hatte mir mehr von den Amis und einen toughen fight mit der DFB-Elf erwartet. Im Vergleich zu vielen anderen spektakulären Spielen der Gruppenphase war das ein langweiliger Kick.

Aber Hauptsache, Deutschland ist weiter. Meine eigene Prognose vor Beginn der WM hat sich damit nicht erfüllt, dass Deutschland schon in der Gruppenphase rausfliegt, spätesten im Achtelfinale. Dort trifft Deutschland nun auf Algerien, das sich überraschend als Zweiter der Gruppe H qualifiziert hat. Das werden Jogis Jungs ja wohl wuppen.

Und so sehen die Achtelfinal-Paarungen aus:

  1. Brasilien vs Chile (Samstag, 28.06., 18 Uhr in Belo Horizonte)
  2. Kolumbien vs Uruguay (Samstag, 28.06., 22 Uhr in Rio de Janeiro)
  3. Niederlande vs Mexiko (Sonntag, 29.06., 18 Uhr in Fortaleza)
  4. Costa Rica vs Griechenland (Sonntag, 29.06., 22 Uhr in Recife)
  5. Frankreich vs Nigeria (Montag, 30.06., 18 Uhr in Brasília)
  6. Deutschland vs Algerien (Montag, 30.06., 22 Uhr in Porto Alegre)
  7. Argentinien vs Schweiz (Dienstag, 01.07., 18 Uhr in São Paulo)
  8. Belgien vs USA (Dienstag, 01.07., 22 Uhr in Salvador)

Im Falle eines Sieges würde Deutschland im Viertelfinale auf den Sieger der Partie Frankreich gegen Nigeria treffen. (Ich sollte mich mit Prognosen zurückhalten, aber ich tippe mal auf Frankreich…)

Brasilien hat morgen auf jeden Fall ein Spiel mit offenem Ausgang. Die Chilenen sind stark und extrem motiviert. Uruguay muss den Rest der WM auf seinen Beisser Suárez verzichten. Und nicht nur das. Wegen seiner Beiss-Attacke im Spiel gegen Italien darf er vier Monate lang an keinem Spiel teilnehmen, so das Urteil der FIFA.

In sportlicher Hinsicht bricht diese WM in Brasilien bereits jetzt Rekorde. Noch nie wurden in der Gruppenphase so viele Tore erzielt wie dieses Jahr (insgesamt 136). Algerien schafft es erstmals in seiner Geschichte in die Runde der letzten 16.

Thomas Müller führt die Torjägerliste an, obwohl Messi (Argentinien) und Neymar (Brasilien) ebenfalls vier Tore erzielt haben und dafür weniger Zeit brauchten. Dafür hat Müller noch eine Vorlage vorzuweisen, die zu einem Tor führte.

Miro Klose ist mit Brasiliens fenômeno Ronaldo gleichgezogen und führt mit ihm die ewige WM-Torjägerliste mit insgesamt 15 Toren an. Weitere Statistiken gibt es auf fifa.com.

Dank der mitreissenden Spiele mit vielen überraschenden Ergebnissen ist diese WM auch emotional aussergewöhnlich mit Gänsehautfeeling, wenn die Nationalhymnen von den Massen gesungen werden, speziell bei den Spielen von Brasilien und Chile. (Das morgige Achtelfinale wird in dieser Hinsicht besonders emotional werden.)

Politisch erfüllt diese WM bisher nicht die Erwartungen. Große Kundgebungen blieben im Gegensatz zum Confed Cup im vergangenen Jahr aus, was auch mit der beispiellosen Präsenz von Sicherheitskräften zu tun hat, die jeden Protest im Keim erstickt.

Aber die Stimmung in der Bevölkerung ist auch nicht auf Krawall gebürstet, trotz der großen Unzufriedenheit mit FIFA und Politik. Die Mehrheit der Bevölkerung scheint den Eindruck zu haben, dass der Protest eh nichts bewirkt bzw. dass die WM nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Nach der WM stehen Wahlen an. Die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT kandidiert für eine zweite Amtszeit. Ihre Zustimmungsraten sind zwar gesunken, doch ihr Vorsprung gegenüber den aussichtsreichsten Gegnern Aécio Neves (PSDB) und Eduardo Campos (PSB) ist weiterhin deutlich.

Abgesehen vom Eröffnungsspiel, wo sie ausgepfiffen und beschimpft wurde, ließ sich Dilma bei der WM nicht blicken. Das gilt ebenso für ihren Vorgänger und Protegé Lula, der die WM während seiner Amtszeit nach Brasilien holte. Er schaut sich die Spiele wie viele Brasilianer lieber im Kreis der Familie und Freunde am heimischen Bildschirm an.

Sollte die Seleção den WM-Titel holen, wäre das sicher nicht zu Dilmas Nachteil. Sollte sie vorzeitig ausscheiden, wird es schwieriger.

Dabei muss man Dilma zugute halten, dass die schlechte Vorbereitung der WM nicht ihr allein anzulasten ist. Die gesamte politische Klasse nebst Fussball-Funktionären hat in dieser Hinsicht versagt. Der Unmut über die FIFA-Auflagen ist darüber hinaus parteiübergreifend.

Brasilien hat keine überzeugenden Alternativen in der politischen Landschaft. Und wenn es in Brasilien keine Wahlpflicht gäbe, würden sich vermutlich viele im Oktober der Stimme enthalten wollen.

Und wirtschaftlich? Entgegen aller Regierungspropaganda sieht es nicht so aus, dass Brasilien wirtschaftlich von der WM profitiert. Im Gegenteil. Mehrere Indikatoren weisen darauf hin, dass das Geld, das auf der einen Seite dank der WM reinfliesst, an anderer Stelle ausbleibt, wie der Economist soeben vorgerechnet hat.

Im besten Fall also ein Nullsummenspiel.

Was bleibt, ist voraussichtlich eine WM, die zumindest in sportlicher Hinsicht Maßstäbe gesetzt haben wird.

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