Götterdämmerung auf dem Fernseh-Olymp


Sat.1 stellt zum 3. Mai 2012 die Harald Schmidt Show ein. Und es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Gottschalk Live in der ARD ebenfalls abgesetzt wird. Zwei Dinos der deutschen TV-Unterhaltung sind vom Aussterben bedroht.

Der von Finanzinvestoren kontrollierte Sender begründet den Schritt mit den schwachen Quoten, welche die Late Night Show seit ihrem Start im September 2011 eingefahren hat. Auch eine Erhöhung der Frequenz von zwei auf drei Sendungen pro Woche brachte keine Besserung, wie das Handelsblatt berichtet.

Auf Twitter und in zahlreichen Kommentaren in Online-Medien wie DWDL.de wird der Schritt von Vielen bedauert. Sat.1 verliere damit sein letztes Aushängeschild und seine letzte sehenswerte Sendung.

Harald Schmidt hat seinen Biss längst verloren

Es mag zwar zutreffen, dass Sat.1 wohl der profilloseste aller größeren TV-Sender in Deutschland ist. Aber Harald Schmidt ist schon lange nicht mehr gut.

Er hätte nach der Rückkehr zu Sat.1 seine finanzielle Unabhängigkeit dazu nutzen können, ein wirklich freches, unterhaltsames wie anspruchsvolles Programm zu machen, mit dem ultimativen Kommentar zum Tagesgeschehen, der dann in weiteren Medien Widerhall gefunden hätte.

Das machte doch das Besondere aus, als Harald Schmidt von 1995 bis 2004 seine Show auf Sat.1 hatte: Er kultivierte sich als Fremdkörper im anspruchslosen und profitorientierten Kommerzfernsehen, stichelte nicht selten öffentlich gegen seinen eigenen Auftraggeber. Er konnte es sich erlauben. Und die Medienschaffenden knieten allabendlich vor dem TV-Gerät, um den Worten ihres zynischen Gurus zu lauschen.

Doch diese Brillanz, diesen Biss hat Harald Schmidt längst verloren.

Schon das Zwischenspiel bei der ARD war nur noch ein Abklatsch des Originals. Schmidt langweilte mit Monologen und albernen Spielchen.

Die Rückkehr zu Sat.1 weckte die Hoffnung, Harald Schmidt könnte noch einmal zu alter Höchstform auflaufen. Doch mitnichten.

Er ist wohl schon zu lange im Geschäft und hat zu viele Millionen verdient. Schmidt, so scheint es, ist satt. Es fehlt wohl der Ehrgeiz, nochmal wirklich was zu reißen.

Gottschalk wollte vielleicht nochmal was reißen, sich etwas beweisen und ein Format machen, das ganz anders ist als Wetten, dass…? Aber das werktägliche Format wird von den Zuschauern nicht angenommen. Kein Wunder. Man verpasst ja auch nichts, wenn man es nicht gesehen hat.

Wie wär’s, wenn die alten Herren einfach mal etwas Sinnvolles machen würden, sich mit ihrem guten finanziellen Polster für eine gesellschaftlich relevante Sache engagierten?

Und aufhören, Millionen Euro der Senderbudgets an sich zu saugen, die andernorts fehlen? Und wie wär’s, wenn die Sender ihre Etats für etwas Sinnvolleres ausgeben würden statt für solchen Quatsch?

Götterdämmerung ist Ausdruck des Bedeutungsverlustes des Fernsehens

Leider hat das deutsche Fernsehen in den letzten Jahren viel an Innovationskraft verloren. Man setzt auf etablierte Namen und kostspielige Leuchtturmprojekte, während der Rest des Programms leidet.

Die Öffentlich-Rechtlichen verpulvern ihre stattlichen Budgets für alles Mögliche, während ein Privatsender wie Sat.1 so auf Profit getrimmt wird, dass er jegliches Profil verliert, somit weitere Zuschauer, womit der Kostendruck noch weiter steigt – ein Teufelskreis.

Aber das Fernsehen verliert ohnehin immer mehr seine Bedeutung als Leitmedium der Gesellschaft. Die Goldenen Zeiten sind vorbei. Die Musik spielt im Internet, auch wenn es dort bislang schwieriger erscheint, Geld zu verdienen.

Insofern ist die Götterdämmerung von Gottschalk und Schmidt Ausdruck des Bedeutungsverlustes des Mediums Fernsehen. Es wird immer irrelevanter, was im Fernsehen läuft, es taugt immer weniger zum Tagesgespräch. Mit ihren mutlosen und uninspirierten Programm-Ideen tragen die Fernsehmacher noch zu einer Verstärkung dieses Trends bei.

Der einzige der drei gealterten Fernseh-Götter, der sich noch auf dem Olymp halten kann, ist Günther Jauch. Er hat sich auf Anhieb als Moderator seiner Polit-Talkshow in der ARD bewährt und alle Zweifel verstummen lassen, dass er sowas nicht kann. Er hat die Polit-Talkshow zwar nicht neu erfunden, aber auch nicht zu Grabe getragen.

Das ist in diesen Tagen ja schon eine Leistung.

Götterdämmerung auf dem Fernseh-Olymp

7 Gedanken zu „Götterdämmerung auf dem Fernseh-Olymp“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.