Durch den Talkshow-Wulff gedreht


Die Medien feuern aus allen Rohren und wollen Schloss Bellevue sturmreif schießen. Kaum eine Talkshow, welche diese Woche nicht das Thema Wulff auf der Tagesordnung hatte. Der Bundespräsident beweist geradezu Steherqualitäten – oder ist es schlicht Ignoranz? – dass er trotz dieser medialen Breitseiten (noch) nicht wankt.

Den Auftakt bildete Günther Jauch am vergangenen Sonntag mit dem Thema „Der Problem-Präsident – wie glaubwürdig ist Christian Wulff?“ Der Titel lässt nicht von Ungefähr die Assoziation von „Problem-Bär“ Bruno aufkommen. Zu Gast waren Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU), BILD-Hauptstadtchef Nikolaus Blome, Spiegel-Chef Georg Mascolo, Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (B90/Grüne) sowie der Jurist und Autor Ferdinand von Schirach. Später kam noch eine langjährige Freundin von Wulff dazu, in deren Haus auf Norderney er mit Familie gelegentlich Urlaub gemacht hat. Sie war mit Vogel die einzige, die den Präsidenten noch in Schutz nahm.

Am Montag folgte Hart aber fair. Normalerweise peinlich darauf bedacht, nicht dasselbe Thema wie Jauch am Vorabend zu behandeln, sah man diesmal keine Alternative dazu und titelte: „Der Pattex-Präsident – was lehrt der Fall Wulff“. Immerhin hatte Frank Plasberg andere Gäste als Jauch, nämlich Ex-WDR-Intendant Fritz Pleitgen, der die ganze mediale Aufregung um Wulff eine Etage tiefer legen wollte. Ausserdem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, Investigativ-Journalist Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung sowie der Journalist und Buchautor Hajo Schumacher. An sich eine gute und prominent besetzte Runde, dennoch hatte ich am Montag das Gefühl, das Thema ist jetzt vorerst ausreichend durchgenudelt und schaltete gelangweilt aus.

Lanz profiliert sich als Polit-Talker

Am Dienstag schaute ich bei Markus Lanz im ZDF rein und stellte zu meiner Überraschung fest, dass auch er das Thema Wulff auf der Agenda hatte, obwohl er keine politische Talkshow macht und das Thema elegant hätte aussparen können. Aber gerade deswegen war es überraschend gut, weil sein Team die Gäste nicht nach politischem Proporz auswählen muss und es interessant sein kann, mal die Meinung zum Thema von Leuten zu hören, die sonst eher über ihren neuesten Film, ihr Buch oder ihr Schicksal erzählen. Die Gäste am Dienstag hätten allerdings auch in einer Polittalkshow auftreten können, nämlich Ex-BamS-Chefredakteur Michael Spreng, Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis, Kabarettist Matthias Richling, Schauspieler Heiner Lauterbach und Jürgen Abraham, Präsident des Lobbyverbandes der Ernährungsindustrie (BVE).

Lanz ließ das Thema aber auch den Rest der Woche nicht los. Am Mittwoch ging es weiter zum Thema, diesmal mit Schauspieler Wolfgang Stumph, Stern-Reporter Hans-Martin Tillack, Satiriker Hans Zippert, PR-Tante Alexandra von Rehlingen und Gala-Chefredakteur Peter Lewandowski. Auch dies war eine muntere Runde und eigentlich waren sich alle einig, dass Wulff schwere Fehler gemacht hat und weg muss. Nur Zippert will ihn behalten – weil der Präsident für Satiriker so viel Stoff bietet.

Auch am Donnerstag ließ Lanz von Wulff nicht ab, lud TV-Journalist Wolf von Lojewski dazu ein, FOKUS-Korrespondent Armin Fuhrer, Kabarettistin Désirée Nick sowie Kabarettist Thomas Reis. „Glamourgirl“ Sara Schätzl stand dann noch für ein anderes Thema, nämlich den Skandal um die französischen Brustimplantate, was nicht so recht zusammenpasste. Aber ansonsten war auch diese Runde sehr unterhaltsam. Wie sehr das Amt des Bundespräsidenten schon an Würde verloren hat, bewies die gegen Ende scherzhaft formulierte Idee, Wulff sollte vielleicht ins RTL-Dschungelcamp.

Will macht Urlaub – Für Maischberger zählt nur die Liebe

Gott sei Dank sendet Anne Will erst in zwei Wochen wieder. Sonst hätte auch sie den Wulff machen müssen.

Aber dafür gibt es ja noch Maybrit Illner im ZDF. Bei ihr hiess das Thema am Donnerstag: „Affäre Wulff – Vorhang zu und alle Fragen offen?“ Gäste: ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Bettina Schausten (jene, die nach eigener Aussage guten Freunden 150 Euro pro Nacht zahlt, wenn sie bei ihnen übernachtet…), CDU-Hintze, PR-Berater Klaus Kocks, RTL- und Stern-Legende Heiner Bremer. Ich hab es mir nicht angetan.

Auch Maischberger habe ich nicht gesehen, die gucke ich nie. Aber wie ich aus dem Internet erfahren habe, war das Thema NICHT Wulff sondern „Nur die Liebe zählt“ mit mehr oder weniger prominenten Paaren.

Und dann gibt es ja noch die etlichen anderen Talkshows auf Phoenix, in den Dritten und vereinzelt bei den Privaten, die sich vermutlich auch am Noch-Präsidenten abgearbeitet haben.

Aber der denkt ja noch nicht einmal an Rücktritt, wie er vergangene Woche im Interview mit Deppendorf und Schausten sagte.

Es gibt ja auch viel wichtigere Themen, wie mancher Talk-Gast kritisch anmerkte, wie z.B. die Schuldenkrise. Ach ja, aber die wurde ja auch schon bis zum Erbrechen durchgenudelt und geändert hat sich trotzdem nichts. Die Talk-Redaktionen waren wahrscheinlich froh, zur Abwechslung mal ein anderes Thema machen zu können.

Aber jetzt ist hoffentlich mal gut. Das Amt des Bundespräsidenten ist eh schon fast irreparabel beschädigt und es ist alles gesagt. Wulff muss weg, aber wenn er nicht will, kann ihn keiner dazu zwingen.

Durch den Talkshow-Wulff gedreht

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