Aus dem Alltag: Wasser, Strom, Handy, Internet

Vor dem Hintergrund meiner lebenslangen Erfahrung mit Deutschland lobe ich mir doch die Zustände, die ich hier in Brasilien vorfinde. Viele, die Brasilien nicht kennen, denken ja, das sei mehr oder weniger ein unterentwickeltes Land, schließlich zählt Deutschland zu den am weitesten entwickelten Ländern der Welt. Im Alltag stellen sich die Dinge anders dar…

Aus meiner ganz persönlichen Alltagserfahrung heraus kann ich nur hoch anerkennen, wie gut Brasilien trotz seiner gigantischen Größe organisiert ist.

Nun ist Brasilien groß und ich befinde mich weitestgehend in einer gut erschlossenen Metropolregion, auch wenn ich im Grünen lebe. Also kann man das sicher nicht einfach auf das ganze Land verallgemeinern. Aber das versteht sich ja von selbst, dass, wer in der Wildnis lebt, auf zivilisatorischen Komfort verzichten muss bzw. will. Das ist ja auch das Schöne an Brasilien, dass es groß genug ist, um sich ganz der Natur hingeben zu können, wenn man das will.

Ich habe in dem einen Jahr, das ich nun hier lebe, alle behördlichen Angelegenheiten kundenfreundlich und zügig erledigen können. Wenn man weiß, wohin man muss, um das eine oder andere zu erledigen, dann ist das schnell gemacht.

Auch was meine laufenden Kosten wie Strom, Internet, Handy oder Autoversicherung angeht, sind sie überschaubar und leicht zu handhaben.

Über den Wasserverbrauch muss ich mir hier in Paraty, wo ich wohne, keine Gedanken machen. Das Wasser kommt direkt von einem der nahegelegenen Wasserfälle, wo es über Rohre abgezapft und an die Häuser verteilt wird. Das Wasser ist kostenlos.

Beim Strom hatte ich keine Wahl. Es gibt nur den Monopolisten Enel. In Paraty hat er eine Filiale, wo man sich als Kunde persönlich anmeldet. Jeden Monat läuft ein Mitarbeiter die Straßen ab, um den aktuellen Verbrauch vom Zähler an der Straße abzulesen. Einen Ausdruck in Flyerform mit der Rechnung steckt er an den Gartenzaun bzw. in den Briefkasten. Ich bekomme die Rechnung aber auch per Mail. Auf der Rechnung befindet sich ein Barcode. Mit meiner Bank-App von meinem brasilianischen Konto kann ich den Code ablesen und sofort erscheinen alle Daten zur Rechnung. Ist alles korrekt, muss ich nur unten rechts auf den Handy-Bildschirm tippen, wo eine TAN erscheint, mit der ich die Überweisung bestätigen kann. Fertig.

Ich muss keinen Lastschrifteinzug erteilen, ich muss nicht in eine Bankfiliale gehen oder umständlich Daten am Bildschirm ausfüllen. Einfach nur Barcode scannen.

So funktioniert das mit allen Verbrauchs- und Behördenrechnungen.

Gott sei Dank muss man hier auch keine Verträge mit Mindestlaufzeiten abschließen! Das wäre angesichts der brasilianischen Zahlungsmoral auch schlicht nicht durchsetzungsfähig.

In Brasilien gilt das Prinzip: der Vertrag läuft so lange, wie du zahlst. Bist du im Verzug, wird die Leistung sofort gekappt. Sie wird aber auch sehr zeitnah  (am selben Tag) wieder entrichtet, sobald du inkl. Verzugszinsen gezahlt hast!

Ich hatte beispielsweise eine Autoversicherung, die ich monatlich zahlte. Ich kam aber zu dem Schluss, dass ich mir dieses Geld eigentlich sparen könne, denn die größte Sorge, dass es eines Tages geklaut werden könnte, habe ich hier nicht, wo ich lebe. Und Unfälle habe ich meinen Lebtag nicht verursacht. In Brasilien gibt es keine Versicherungspflicht. Also habe ich kürzlich einfach die monatliche Zahlung eingestellt und fertig. Ich habe das schonmal gemacht und mich dann wieder umentschieden. Dafür musste ich nur meinen Wagen zur Versicherung bringen, damit er erneut begutachtet werden konnte, und schon war ich wieder drin. Der Versicherungsbetrag richtet sich auch allein nach dem Alter und Wert des Autos. Es spielt keine Rolle, wie lange ich schon (unfallfrei) Auto fahre oder Kunde bin. Wieso kompliziert, wenn’s auch einfach geht, nicht wahr?

Das WLAN im Haus war auch sehr schnell eingerichtet. Angesichts der Größe des Landes sind nicht alle Telekom-Anbieter überall gleichermaßen vertreten. Man muss sich bei Nachbarn erkundigen, welches die besten bzw. überhaupt vorhandenen Anbieter vor Ort sind. Aber selbst für völlig abgelegene Regionen gibt es immer eine Möglichkeit, und wenn es Radiowellen sind oder per Satellit.

Da ich kein Festnetz brauche, hatte ich in meiner Straße nur einen möglichen Anbieter aus Paraty. In der Filiale machte ich meinen Vertrag. Ich hatte die Wahl zwischen mehreren Daten-Paketen und Geschwindigkeiten. Zu meiner Freude erfuhr ich, dass es neuerdings Glasfaser gab und es im Angebot war. Ich buchte ein Paket über 320 GB pro Monat mit einer Geschwindigkeit von 1,5 Mb. Für meine Zwecke reicht das vorerst. Ich zahle 95 Reais monatlich, umgerechnet knapp 22 €.

Der Anschluss wäre normalerweise schon am nächsten Tag gelegt und aktiviert worden. Doch es gab ein Problem bei einem größeren Verteiler, das  erst gelöst werden musste. Am nächsten Tag kam aber der technische Mitarbeiter, legte eine Leitung vom Verteilerpunkt in meiner Straße bis in mein Haus hinein. Den (von mir selbst erworbenen) Router hatte die Zentrale schon eingerichtet. Er musste jetzt nur angeschlossen werden und schwups: ich war drin!

Die Rechnung kommt auf meinen Wunsch per Mail (in meinem Ort wird keine Post zugestellt, man müsste sie im 23 km entfernten Paraty bei der Postfiliale abholen) und ich überweise wie gehabt mittels Barcode. Zahle ich nicht, wird die Leitung sofort gekappt.

Beim Handy dasselbe in Grün. Viele Brasilianer haben keinen Vertrag und nutzen aus Geldmangel Prepaid. Aber die Verträge sind eigentlich besser und am Ende günstiger. Ich zahle bei meinem Anbieter Vivo z.B. nur 33 Reais (7,50 €) pro Monat und habe 700 MB Datentarif und 250 Gesprächsminuten in alle Netze, zu Vivo-Anschlüssen unbegrenzt. Telefonieren tue ich kaum und die meisten meiner Bekannten und Freunde haben eh auch Vivo und das Handy-Internet nutze ich nur unterwegs für’s Nötigste, nutze wo und wann immer möglich WLAN. Und das findet sich eigentlich überall, an öffentlichen Plätzen, Lokalen, Geschäften, bei Freunden etc.

Würde ich mit der monatlichen Zahlung aussetzen, würde mein Vertrag automatisch in den Prepaid-Modus zurückwechseln. Ich muss keinen Vertrag kündigen und irgendwelche Fristen beachten. Wie herrlich! (In Deutschland habe ich den richtigen Zeitpunkt dummerweise verpasst und muss nun zwei Jahre lang den Vertrag erfüllen und zahlen, obwohl ich überhaupt nicht mehr in Deutschland lebe!)

Es ist diese Kundennähe und dieser alltagsnahe Pragmatismus, der mir an Brasilien sehr gefällt. Ich fühle mich gut behandelt und versorgt und muss mich nicht mit kafkaesken Regularien rumschlagen.

Ich fühle mich frei und unabhängig und gut versorgt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.